Wir leben in einer Welt, die oft von blitzschnellen Informationen und einem konstanten Strom von Ablenkungen geprägt ist. Dabei gibt es eine unsichtbare Herausforderung, die das Leben von Millionen von Erwachsenen auf unvorhersehbare Weise beeinflusst. Wir sprechen von der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, besser bekannt als ADHS. Während wir oft Bilder von hyperaktiven Kindern vor Augen haben, die scheinbar unaufhörlich durch die Welt wirbeln, wird oft übersehen, dass ADHS bei vielen Menschen bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt. Lesen Sie, wie sich ADHS bei Erwachsenen äußert, welche Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen und warum eine Diagnose im Erwachsenenalter so langwierig ist.
Was ist ADHS
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung. Sie ist durch ein persistierendes Muster von Beeinträchtigungen in den Bereichen Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet. ADHS zeigt sich typischerweise in der Kindheit, kann jedoch in vielen Fällen bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. Diese Störung hat erhebliche, individuelle Auswirkungen auf Betroffene und kann in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz sowie in sozialen und zwischenmenschlichen Beziehungen erhebliche Herausforderungen darstellen.
Die Bedeutung von ADHS liegt in seiner weitreichenden Prävalenz und den potenziell schwerwiegenden Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass ADHS keine bloße „Kinderkrankheit“ ist, sondern sich oft in die Erwachsenenjahre hineinzieht. In verschiedenen Lebensphasen weist die Krankheit zudem unterschiedliche Symptome auf.
Menschen mit ADHS können Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit zu steuern, impulsive Entscheidungen zu treffen und ihre Energie zu regulieren.
ADHS ist in erster Linie durch beeinträchtigte Funktionen im präfrontalen Cortex und anderen relevanten Hirnregionen charakterisiert. Während sich die Störung insbesondere vor dem 7. Lebensjahr bemerkbar macht, verschwindet sie nicht einfach mit dem Erreichen des Erwachsenenalters. Werden Kinder und ihre Symptome nicht angemessen identifiziert und behandelt, kann die Fortsetzung von ADHS ins Erwachsenenalter unterschiedliche Auswirkungen auf Betroffene haben. Besonders in diesen Fällen erfordert ADHS spezifische diagnostische und therapeutische Ansätze, um den betroffenen Personen effektive Unterstützung zu bieten.
Wie unterscheidet sich ADHS bei Erwachsenen und Kindern
Die Hauptunterschiede zwischen ADHS bei Kindern und Erwachsenen liegen in der Art und Ausprägung der Symptome sowie in der Veränderung dieser im Laufe des Lebens.
Bei Kindern sind Hyperaktivität und Impulsivität oft prominenter und auffälliger. Diese Symptome verlieren im Erwachsenenalter häufig an Ausprägung und können von innerer Unruhe und Impulsivität zu innerer Spannung und Impulsivität wechseln. Erwachsene mit ADHS zeigen in der Regel mehr Unaufmerksamkeit, insbesondere in Bezug auf komplexe Aufgaben und organisatorische Anforderungen. Während Kinder Schwierigkeiten in der Schule haben können, erleben Erwachsene oft Schwierigkeiten im Beruf und bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben.
Zusätzlich können erwachsene ADHS-Patienten oft bessere Kompensationsstrategien entwickeln, um ihre Symptome zu bewältigen, was zu einer möglichen Unterdiagnose führen kann. Wer als Kind nicht frühzeitig diagnostiziert wurde, hat möglicherweise diese Strategien entwickelt um in einer Welt, die nicht auf Personen mit ADHS ausgerichtet ist, zu bestehen.
ADHS Symptome bei Erwachsenen
Einige Symptome, die man bei Kindern kennt, bleiben auch bei Erwachsenen in der einen oder anderen Form bestehen. Manchmal kehren sie sich aber auch nach innen um oder wechseln den Fokus.
Bei betroffenen Menschen äußern sich die Symptome unterschiedlich stark. Nicht jeder weist alle oder die gleichen Symptome auf.
Typische ADHS-Symptome bei Erwachsenen umfassen:
- Unaufmerksamkeit: Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit auf Details zu richten, Ablenkbarkeit, mangelnde Sorgfalt bei Aufgaben und Schwierigkeiten beim Organisieren von Aufgaben
- Impulsivität: Impulsives Verhalten wie überstürzte Entscheidungen, Schwierigkeiten bei der Impulssteuerung und Unterbrechungen in Gesprächen oder Aktivitäten
- Hyperaktivität: Zappeligkeit, innere Unruhe und das Bedürfnis nach ständiger Aktivität, obwohl dies bei Erwachsenen weniger offensichtlich sein kann als bei Kindern
- Probleme in sozialen Beziehungen: Schwierigkeiten, zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen
- Organisationsprobleme: Herausforderungen bei der Zeitverwaltung, Planung und Durchführung von Aufgaben, was berufliche und persönliche Schwierigkeiten verursachen kann
- Impulsives Suchtverhalten: Erhöhtes Risiko für Suchtverhalten, wie Drogenmissbrauch oder übermäßiges Glücksspiel, um die Reizsucht zu befriedigen
- Stimmungsschwankungen: Neigung zu emotionalen Schwankungen, Reizbarkeit und Impulsivität in emotionalen Reaktionen
- Fahrstil: Risikoreicheres Fahrverhalten und erhöhte Unfallgefahr
- Berufliche Herausforderungen: Schwierigkeiten, langfristige berufliche Ziele zu erreichen, häufiger Jobwechsel und mangelnde Arbeitsplatzstabilität
ADHS bei Männern
Bei erwachsenen Männern mit ADHS treten bestimmte Symptome häufiger auf und äußern sich in verschiedenen Aspekten ihres Lebens. Impulsivität ist eines dieser herausstechenden Merkmale. Männer mit ADHS sind tendenziell impulsiver, was sich in überstürzten Entscheidungen und riskanterem Verhalten zeigt. Dies kann zu finanziellen Problemen und unüberlegtem Handeln führen.
Ein weiteres Merkmal betrifft äußerlich sichtbare Symptome wie Zappeligkeit und Unruhe, die bei männlichen Erwachsenen mit ADHS häufiger auftreten. Dies äußert sich oft in ständiger Bewegung und der Unfähigkeit, ruhig zu sitzen. Darüber hinaus neigen einige Männer mit ADHS zu vermehrter Aggressivität und Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle, was zu Wutausbrüchen und zwischenmenschlichen Konflikten führen kann.
Suchtverhalten ist ein weiteres wichtigeres Thema, das bei männlichen Erwachsenen mit ADHS häufiger vorkommt. Insbesondere der Missbrauch von Alkohol und Drogen kann bei diesen Personen ausgeprägter sein, da sie möglicherweise versuchen, ihre Symptome zu lindern. Zusätzlich können berufliche Herausforderungen eine Rolle spielen, darunter die Schwierigkeit, stabile berufliche Beziehungen aufrechtzuerhalten und die Neigung zu häufigem Jobwechsel.
ADHS bei Frauen
Bei erwachsenen Frauen mit ADHS treten Symptome wie verstärkte Unaufmerksamkeit und Desorganisiertheit vermehrt auf. Sie haben oft Schwierigkeiten, komplexe Aufgaben zu bewältigen und ihren Alltag zu organisieren.
Im Gegensatz zu äußerlich sichtbaren Symptomen wie Hyperaktivität, die bei Kindern mit ADHS häufiger sind, erleben erwachsene Frauen mit ADHS eher innere Symptome wie anhaltendes Grübeln und einen konstanten Gedankenstrom. Ein weiteres signifikantes Merkmal betrifft Selbstwertprobleme und Perfektionismus. Frauen neigen dazu, Bewältigungsstrategien zu entwickeln, um ihre ADHS-Symptome zu kompensieren. Dies kann zu einem erhöhten Stressniveau führen.
Die Unterdiagnose von ADHS bei Frauen ist ein weiteres Problem, da ihre Symptome weniger offensichtlich sein können und sie dazu neigen, ihre Symptome zu maskieren. Schließlich haben Frauen mit ADHS ein erhöhtes Risiko für Komorbiditäten wie Angst- und depressive Störungen, die oft auf die Anforderungen im Zusammenhang mit ihrer ADHS-Symptomatik zurückzuführen sind.
Lesen Sie auch
Ursachen für ADHS
Die Ursachen für ADHS sind komplex und noch nicht in allen Einzelheiten geklärt.
Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die als mögliche Einflussgrößen identifiziert wurden. Eine wichtige Rolle spielen dabei genetische Faktoren.
Studien haben gezeigt, dass ADHS in Familien gehäuft vorkommt, was auf eine genetische Komponente hinweist. Bestimmte Gene, die die Regulation von Neurotransmittern beeinflussen, könnten eine Rolle spielen.
Darüber hinaus gibt es neurobiologische Faktoren. Abweichungen in der Struktur und Funktion des Gehirns, insbesondere im präfrontalen Cortex und den Bereichen, die für Aufmerksamkeits- und Impulskontrolle verantwortlich sind, sind bei Menschen mit ADHS festgestellt worden.
Ein weiterer Aspekt sind chemische Ungleichgewichte im Gehirn. Ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin könnte die Symptome von ADHS beeinflussen. Diese Neurotransmitter spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulation der Aufmerksamkeit und Impulskontrolle.
Auch Umweltfaktoren könnten eine Rolle spielen. Bestimmte Faktoren während der Schwangerschaft wie Rauchen, Alkoholkonsum, unzureichende pränatale Versorgung oder Frühgeburt könnten das Risiko für die Entwicklung von ADHS erhöhen. Ebenso könnten Geburtskomplikationen, die zu Sauerstoffmangel oder anderen Problemen führen, das Risiko für ADHS erhöhen.
Diagnose: ADHS bei Erwachsenen
Die Diagnose der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen erfordert eine umfassende und sorgfältige klinische Beurteilung. Zunächst erfolgt eine ausführliche klinische Anamnese, bei der ein qualifizierter Facharzt oder Psychiater die Vorgeschichte des Patienten erforscht. Dies umfasst Informationen zu Symptomen, dem Verlauf der Störung und der familiären Vorgeschichte.
Die Beurteilung der aktuellen ADHS-Symptome ist ein wesentlicher Schritt. Der Arzt wird die Symptome anhand von diagnostischen Kriterien bewerten. Es ist entscheidend, andere medizinische oder psychische Gesundheitsprobleme auszuschließen, die ähnliche Symptome verursachen könnten. Daher erfolgt eine sorgfältige Differenzialdiagnose.
Die Einbeziehung von Bezugspersonen wie Familienmitgliedern oder Lebenspartnern ist in vielen Fällen notwendig, um die Symptome und deren Auswirkungen auf den Alltag des Patienten besser zu verstehen.
Standardisierte Selbstbewertungsskalen wie der Adult ADHD Self-Report Scale (ASRS) oder das Diagnostische Interview für ADHS bei Erwachsenen (DIVA) können verwendet werden, um die Schwere der Symptome zu quantifizieren.
Die berufliche und schulische Geschichte des Patienten wird beurteilt, um Informationen über die Auswirkungen von ADHS auf die Leistung und soziale Anpassung zu sammeln. Die Diagnose basiert auf den Kriterien, wie sie im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-5) oder in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) festgelegt sind. Der Patient muss eine ausreichende Anzahl von Kriterien erfüllen, um die Diagnose ADHS zu erhalten.
Behandlung von ADHS
In vielen Fällen wird bei Erwachsenen eine medikamentöse Therapie in Betracht gezogen. Diese beinhaltet oft Stimulanzien, die die Aktivität von Neurotransmittern im Gehirn beeinflussen, um die Symptome zu kontrollieren. Psychotherapie wie Verhaltenstherapie oder kognitive Verhaltenstherapie kann eingesetzt werden, um Bewältigungsstrategien zu erlernen und die Selbstregulation zu verbessern.
Verhaltensinterventionen, Coaching und spezielle Techniken helfen, organisatorische Fähigkeiten, Zeitmanagement und Selbstkontrolle zu stärken. Eine gesunde und routinierte Lebensweise, darunter ausreichende Bewegung, Schlaf und eine ausgewogene Ernährung, kann die Symptome von ADHS darüber hinaus positiv beeinflussen.
Auch das soziale Umfeld hat eine signifikante Auswirkung und ist, im Fall positiver Unterstützung, von Bedeutung. Familie und Freunde, die nach einer Diagnose bestimmte Verhaltensweisen besser nachvollziehen und verstehen können, sind in der Lage im Behandlungsprozess unterstützend aktiv zu agieren und Betroffene zu entlasten. Darüber hinaus helfen Selbsthilfegruppen, sich nach einer Diagnose nicht allein zu fühlen. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann auch neue Wege und Optionen für Bewältigungsstrategien eröffnen.
Die Behandlung erfordert regelmäßige Überwachung, um ihre Wirksamkeit zu bewerten und Anpassungen in Bezug auf Medikation und Therapie vorzunehmen. Das Hauptziel ist es, die Symptome zu kontrollieren, die Lebensqualität zu verbessern und den Betroffenen zu helfen, ihr Potenzial in verschiedenen Lebensbereichen auszuschöpfen.
Auswirkungen auf den Alltag
Die bereits genannten Symptome äußern sich nicht nur in besonderen Situationen, sondern haben einen stetigen Einfluss auf das Erleben und Bewältigen des Alltags. Eine der markantesten Auswirkungen ist die Schwierigkeit, die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe oder Aktivität zu lenken. Erwachsene mit ADHS sind oft leicht ablenkbar, was dazu führen kann, dass sie Schwierigkeiten haben, sich auf wichtige Aufgaben zu konzentrieren.
Das Symptom der Impulsivität bei Erwachsenen äußert sich häufig darin, spontane und unüberlegte Entscheidungen zu treffen, die langfristig negative Konsequenzen haben können.
Ist die Fähigkeit zur Organisation von Aufgaben und das effektive Zeitmanagement beeinträchtigt, vergessen Erwachsene mit ADHS häufig Termine, haben eine verzerrte Zeitwahrnehmung und Schwierigkeiten bei der Planung des Tages.
Langfristige Projekte oder Aufgaben können besonders schwierig sein, da die Motivation und Konzentration über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden müssen. Auch im Berufsleben können sich Probleme ergeben, wie unvollendete Aufgaben, Schwierigkeiten bei der Einhaltung von Terminen und mangelnde Organisation.
Wenn Erwachsene mit ADHS bereits Kompensationsstrategien für ihre Symptome entwickelt haben, kann es sein, dass sie mitunter in einem Lebensbereich wie im Beruf, Glanzleistungen erbringen, während ein anderer Bereich wie der Haushalt, unter im Anschluss fehlender Energie leidet. Die Themen, die Erwachsene mit ADHS begeistern, darunter alles, was neu oder herausfordernd ist, deren Ausführung eine schnelle Befriedigung verspricht sowie das Arbeiten unter Deadlines oder innerhalb ihrer persönlichen Passion, können leichter bewältigt werden. Aufgaben, die eintönig sind, langfristige Ziele verfolgen oder keinen Abschluss zu finden scheinen, sind häufig für Erwachsene mit ADHS schwer zu bewältigen.
Titelbild: © marchmeena29 / iStock.com