Bilinguale Kinder sind selten – aktuell beträgt ihr Anteil an allen deutschen Kindern dem Sprachennetz zufolge rund zwei Prozent. Doch welche Vor- und Nachteile bringt Bilinguität mit sich? Das und mehr erfahren Sie im Beitrag.
Phasen der Sprachentwicklung
Wann und wie sich das Sprachvermögen eines Kinds entwickelt, ist immer unterschiedlich und hängt grundsätzlich vom individuellen Kind ab. Die meisten Kinder beobachten ihre Umgebung dabei sehr genau und leiten sich grundlegende grammatische Strukturen und Worte selbst ab. Oft beginnt ihre sprachliche Entwicklung mit der Wiederholung von Worten, die ihre Eltern häufig zu ihnen sagen.
Frühentwicklung
9monate zufolge beginnt die sprachliche Entwicklung des Kinds mit der sogenannten Schreiphase. Diese kann einige Wochen lang anhalten. Das Kind hat noch keine Worte oder andere Laute gelernt und kennt keine andere Möglichkeit, um auf sich aufmerksam zu machen. Geräusche lösen beim Kind selbst jedoch schon eine Reaktion aus: So kann es beispielsweise durch eine Türklingel aufwachen oder bestimmte Spielzeuge am Klang erkennen.
0 – 6 Monate
Bis zum sechsten Lebensmonat beginnen Kinder damit, eigene Geräusche zu entwickeln. Sie testen ihre Stimme, bringen aber für gewöhnlich keine kohärenten Worte oder gar Sätze heraus. Schmatzen, Glucksen und Variationen einfacher Vokale stellen ihren Einstieg in die Welt des gesprochenen Worts dar.
6 – 12 Monate
Zwischen dem sechsten und zwölften Lebensmonat können „Selbstgespräche“ des Kindes auftreten. Außerdem bildet es Silbenketten und spricht sein erstes Wort. Oftmals handelt es sich dabei um „Mama“, „Papa“, „Danke“ oder „Ball“. Wichtig hierbei: Das Kind kann nun den Bezug zwischen Laut und Bedeutung herstellen. Außerdem fängt es an, die Gesichtsausdrücke seiner Eltern zu deuten und zu imitieren. Zum Ende des ersten Lebensjahres versteht es wesentlich mehr als es selbst ausdrücken kann.
Zweites Lebensjahr
In der Zeit bis zum zweiten Lebensjahr greifen Kinder auf die „Einwortsprache“ zurück. Erstens zeigt sich nun, welche Muttersprache es sprechen wird, zweitens wächst sein Wortschatz. An dieser Stelle kann es sein, dass es einzelne Begriffe in ihrer Bedeutung „streckt“, etwa, wenn es nicht nur den Nachbarshund, sondern alle vierbeinigen Pelztiere als „Wauwau“ bezeichnet. Das Gegenteil kann ebenfalls der Fall sein: Das eigene Auto heißt „Auto“, andere Autos dagegen unter Umständen nicht. Auch ist nicht immer klar, was es sagen will. „Ball“ kann bedeuten, dass es einen Ball möchte, dass es einen Ball hat oder dass sein Ball weg ist. Die Einwortsprache entwickelt sich um den 19. Lebensmonat herum fließend mit dem wachsenden Wortschatz des Kindes weiter zur Zweiwortsprache.
Drittes Lebensjahr
Danach wächst der Wortschatz des Kindes rasant. Zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr folgen schnell die Dreiwortsprache und darauf die Mehrwortsprache. Logopädie Petzold zufolge wächst der Wortschatz innerhalb eines Jahres von 50 auf über 900 Worte. Das Kind kommt ins „Fragealter“ und kann damit beginnen, Sie zu jeder Gelegenheit über die Welt auszufragen. Hier beginnt das beste Alter für das Vorlesen von Geschichten, da das Verständnis des Kinds für Sprache immer weiter wächst.
Achtung: Bei Zwillingen kann es sein, dass sie etwa um ein halbes Jahr der Entwicklung von „Einlingen“ hinterher hängen. Unter anderem liegt das an der „Geheimsprache“, die Zwillinge entwickeln können und die nur sie untereinander verstehen. Für gewöhnlich legt sich das mit dem dritten Lebensjahr – Eltern sollten dies trotzdem genau beobachten und bei Bedarf logopädische Unterstützung suchen.
Viertes Lebensjahr
Drei- bis vierjährige Kinder nehmen sich spätestens hier als eigenständige Personen wahr und nutzen „ich“, „mein“, „dein“ und „du“ richtig. Sie können schwierige Lautverbindungen richtig aussprechen. Zudem reift ihr intuitives Gespür für Grammatik.
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Fünftes Lebensjahr
Ab dem vierten Lebensjahr verstehen Kinder für gewöhnlich alles, was Sie zu ihnen sagen. Ihr Satzbau verbessert sich und sie wenden Zeitformen korrekt an.
Sechstes Lebensjahr
Im Zeitraum zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr erlangen Kinder die Fähigkeit, fließend zu sprechen. Sie können Grundfarben erkennen, zählen, telefonieren und erzählen. Danach folgt – auch im Rahmen der schulischen Ausbildung – die Verfeinerung dieser Fähigkeiten sowie das Erlernen der für viele Kinder schwierigen S-Laute.
Vorteile bilingualer Erziehung
Der größte Vorteil von Kindern, die zweisprachig (bilingual) aufwachsen, ist, dass sie für das Lernen weiterer Sprachen später im Leben empfänglicher sind.
„Eine zweisprachige Erziehung bietet eine ausgezeichnete Lernbasis für Kinder. Sie eröffnet große Vorteile für die literarische und mathematische Entwicklung in der englischen und gleichermaßen in der deutschen Sprache, sowie für das Grundverständnis und die Erfahrungswerte der Kinder innerhalb ihrer Umwelt“,
zitiert die Deutsche Schule Melbourne (DSM) Professor John Hajek von der University of Melbourne. Der DSM zufolge hat die bilinguale Erziehung fünf grundlegende Vorzüge:
- Das rationale Denkvermögen entwickelt sich besser
- Bilinguale Kinder haben eine bessere mathematische Auffassungsgabe
- Bessere Entscheidungsfähigkeit und Fähigkeit zur Problemlösung
- Das Leseverständnis steigt
- Entwicklung des interkulturellen Denkens und der Kommunikationsfähigkeit
Außerdem zeigen Studien, dass das Erlernen zweier Sprachen während des Aufwachsens im Gehirn Vernetzungen bildet, die Intelligenz und die kognitive Leistung des Kindes stärken.
Nachteile und Probleme bei bilingualer Erziehung
Gleichzeitig gibt es mehrere mögliche Nachteile einer mehrsprachigen Erziehung. So sorgen sich viele Eltern darum, dass Kinder, wenn sie gleich zwei Sprachen lernen müssen, keine von beiden am Ende richtig beherrschen. Das wiederum kann zu Problemen während ihrer Schullaufbahn führen. Außerdem besteht das Risiko von Mobbing, falls sich eine Mehrheit einsprachiger Kinder als besonders intolerant herausstellt. Bilingual-erziehen warnt hierbei auch vor Sprachproblemen, die entstehen können, wenn ein Kind sprachliche Eigenarten aus Sprache A auf Sprache B zu übertragen versucht. Beispiele dafür sind der englische TH-Laut (thick, thaw) oder das oftmals mit dem CH-Laut ausgesprochene spanische J (trabajo, hijo).
Unterstützung und Förderung der Sprachentwicklung
Spätestens seit PISA liegt die Förderung der Sprachentwicklung bei Kindern im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse. Der Deutsche Bundesverband für Logopädie e.V. stuft hierbei vor allem die Sprachförderung im Kita-Alter als besonders wichtig ein. Das liegt daran, dass in den Bundesländern Bildungspläne existieren, die sich explizit mit sprachlicher Entwicklung befassen. „Kommunikation und Sprache“ stehen in direktem Zusammenhang mit schulischem und beruflichem Erfolg, was dazu führt, dass die Bundesländer aus Kitas einen Ort „sprachlicher Bildung“ machen. Unter Einsatz von Sprachförderprogrammen und alltagsintegrierter Sprachförderung soll die Wortschatz- und Grammatikentwicklung von Kindern unterstützt werden.
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