Was haben Winston Churchill, Elvis Presley und Charles Darwin gemein? Sie alle zählten zu den „Nachteulen“, also Menschen, die vorrangig während der Nacht produktiv sind. Für diese Leistungsfähigkeit ist die innere Uhr verantwortlich. Doch worum handelt es sich dabei und wie funktioniert die innere Uhr überhaupt? Alle Informationen dazu finden Sie im Beitrag.
Was ist die innere Uhr?
Das, was wir als innere Uhr kennen, ist eine Vielzahl von internen biologischen Mechanismen, auch zirkadiane Uhren genannt, die biologische Funktionen im Organismus steuern. Die Medizin hat hierbei den Begriff „circadian“ vom lateinischen „circa“ abgeleitet, was so viel bedeutet wie „ungefähr“, und vom Wort „dies“, zu Deutsch „Tag“. Damit soll ausgedrückt werden, dass sich die innere Uhr nur annähernd im 24-Stunden-Rhythmus bewegt. Der genaue Rhythmus ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Nobelpreis für die Uhrenforschung
Die innere Uhr galt viele Jahre lang als Mysterium, an deren Entschlüsselung sich Forscher aus aller Welt versuchten. Im Jahr 1984 dann gelang es: Die drei US-amerikanischen Wissenschaftler Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young deckten an einer Fliegenart die zentrale Funktionsweise der inneren Uhr auf. Sie identifizierten ein Gen, dessen Ausfall den zirkadianen Rhythmus der Fliege aufhebt. Dem Ärzteblatt zufolge entdeckten die Forscher zunächst ein Gen, das sie “period” tauften. Im Laufe der Jahre fanden die Wissenschaftler eine kleine Gruppe verschiedener Gene, die eng miteinander in Wechselwirkung stehen und so die zirkadiane Uhr beeinflussen. Mutationen in diesen „Uhr“-Genen können dafür sorgen, dass sich die Einstellung der inneren Uhr grundlegend verändert oder sie sogar vollständig ausfällt. Die drei Forscher erhielten 2017 den Medizinnobelpreis.
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Wechselwirkung der Uhrengene
Wie die Rockefeller University berichtet, regulieren sich zwei durch diese Gene kodierte Proteine, genannt TIM und PER, selbst. TIM bindet sich an PER und stabilisiert es, beide dringen bis in den Zellkern einer Zelle vor, wo sie sich voneinander trennen und verkümmern. Das tun sie interessanterweise stets in einem 24-Stunden-Rhythmus. Der zirkadiane Rhythmus passt sich durch CRY, einem weiteren Protein, nämlich dem natürlichen Lichteinfall an. Weitere Bestandteile dieser inneren Uhr sorgen beispielsweise dafür, dass die Lebensspanne von PER-Proteinen limitiert ist oder dass PER aktiv abgebaut wird, wenn nicht genug TIM-Proteine vorhanden sind. Die Rockefeller University führt weiter aus, dass dieser zyklische Mechanismus in der Tierwelt weit verbreitet ist.
Als zentraler Impulsgeber im Gehirn gilt der Nucleus suprachiasmaticus (NSC), der direkt oberhalb der Kreuzung unserer Sehnerven sitzt. Über die Sehnerven erhält die innere Uhr stets Informationen über den Tag-Nacht-Wechsel, was die passende Synchronisation ermöglicht.
Wie wirkt sich die innere Uhr aus?
Als ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen die innere Uhr auf unser Verhalten haben kann, führt die Max-Planck-Gesellschaft den Monarchen Ludwig II von Bayern an. Dieser verrichtete sein Tagwerk angeblich nachts – und verschlief dafür den Tag. Einer Studie der Universidad Complutense in Madrid zufolge haben „Nachteulen“ im Teenageralter häufig schlechtere Schulnoten als ihre Mitschüler, laufen dafür jedoch abends und nachts zu Höchstleistungen auf.
Die Chronobiologie entscheidet darüber, ob wir „Nachteulen“, „Frühaufsteher“ oder „Morgenmuffel“ sind. Das tut sie, indem sie abends bis nachts für die Ausschüttung von Melatonin sorgt, einen „Müdemacher“. Ist es Zeit zum Aufstehen, produziert der Körper dagegen Cortisol.
Die Gene aus der „Uhren-Familie“ üben nicht nur auf unser Verhalten eine starke Wirkung aus, sie beeinflussen auch direkt hunderte anderer Gene. Unsere innere Uhr sorgt dafür, dass wir uns wach oder müde fühlen, sie reguliert, was und wieviel wir leisten können. Sie beeinflusst außerdem den Elektrolythaushalt und die Körpertemperatur.
Was beeinflusst die innere Uhr?
Einer der wichtigen Einflussfaktoren, die die innere Uhr zum Laufen bringen, ist der Einfall von natürlichem Licht. Dem Ärzteblatt zufolge haben auch die Nahrungsaufnahme, körperliche Aktivität und die Temperaturen einen starken Einfluss auf die Synchronisation der inneren Uhr. Die „Uhrengene“ kontrollieren darüber hinaus Vorgänge, die sich im Körper selbst abspielen, darunter etwa die Glukoseproduktion, Fetteinlagerung oder die Freisetzung bestimmter Hormone.
Es ist demnach kaum verwunderlich, dass die moderne Lebensweise des Menschen die innere Uhr massiv stören kann. Das Paradebeispiel hierfür ist der Jetlag. Wer in kurzer Zeit mehrere Zeitzonen durchquert, braucht eine ganze Weile, um mit den veränderten Tages- und Nachtzyklen zurecht zu kommen. Denn damit bringt er die innere Uhr aus dem Gleichgewicht.
Die innere Uhr und die Gesundheit
Unsere innere Uhr ist bereits seit Jahrtausenden eng mit unserem Wohlbefinden verbunden. Schon die Einzeller im Ur-Ozean verfügten über einen solchen Zeit-Mechanismus, der ihnen verriet, wann sie morgens vor den UV-Strahlen der Sonne in tiefere Gefilde abtauchen sollten. Ist der Rhythmus unserer inneren Uhr intakt, fühlen wir uns normal – wir sind leistungsfähig, können uns gut konzentrieren und den Tag bewältigen.
Bei einer Störung der inneren Uhr können dagegen unterschiedliche Symptome auftreten. Ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen eine Störung der inneren Uhr haben kann, ist der Jetlag. Betroffene klagen dann mitunter über die folgenden Symptome:
- Abgeschlagenheit
- Schlafstörungen
- Erhöhte Müdigkeit
- Konzentrations- und Leistungsschwäche
- Kopfschmerzen
- Migräne
- Appetitlosigkeit
- Motivationsprobleme
Eine solche Störung der inneren Uhr kann bei manchen Menschen bereits nach der Umstellung von Winter- auf Sommerzeit oder umgekehrt geschehen. Danach kann es einige Tage dauern, bis die Betroffenen wieder zu ihrem normalen Schlafrhythmus finden.
Ist sie einmal aus dem Gleichgewicht geraten, braucht die innere Uhr eine gewisse Zeit, um sich neu einzustellen. Bleibt eine „Fehleinstellung“ der inneren Uhr jedoch über einen längeren Zeitraum bestehen, kann dies schwere Folgen für die eigene Gesundheit haben. Zum Beispiel wird eine solche Fehleinstellung derzeit als Risikofaktor für Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes diskutiert. Weiterhin kann eine defekte innere Uhr das Risiko für Krebs und andere neuro-degenerative Erkrankungen erhöhen. Eine weitere mögliche Folge sind Entzündungsreaktionen im Körper. Diese können die Atherosklerose der Blutgefäße fördern.
Die Symptome einer Störung der inneren Uhr können sich in manchen Fällen gravierend auf das Umfeld auswirken. Ein Beispiel dafür ist der gefürchtete Sekundenschlaf. Ein kurzes, ungewolltes Einschlafen am Steuer kann bereits zu schweren Unfällen führen. Besonders riskant leben Menschen, die zum Beispiel zu Zeiten in den Urlaub fahren, zu denen sie normalerweise schlafen würden.
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