Jedes Jahr wird etwa 80.000 Mietern wegen Eigenbedarf gekündigt. Jährlich entstehen daraus knapp 14.000 Gerichtsprozesse. Doch was ist Eigenbedarf eigentlich und wie können Mieter sich schützen? Hier erfahren Sie die Details.
Was heißt Eigenbedarf?
Viele Mieter haben mit dem Begriff „Eigenbedarf“ schon schlechte Erfahrungen gemacht, denn dabei handelt es sich um den häufigsten Kündigungsgrund, den Vermieter angeben. Eigenbedarf bedeutet, dass der Vermieter eine ganze Mieterwohnung für sich selbst oder für eine Person, die zu seinem Familienstand gehört, braucht.
Dem Deutschen Mieterbund (DMB) zufolge ist für den Eigenbedarf gerade eines wichtig: Der Vermieter muss die Wohnung wirklich benötigen. Wenn er sich lediglich wünscht, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, reicht das dafür nicht aus. Er muss nachvollziehbare Gründe liefern, warum er oder eine von ihm benannte Person in der dann freiwerdenden Wohnung einziehen will. Zum Beispiel kann er die Wohnung als Altersruhesitz auswählen. Oder aber er stellt die Wohnung seinem Kind zur Verfügung, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass das Kind sich vom Elternhaus löst.
Im Kündigungsschreiben muss schriftlich begründet sein, für welche Person er die Wohnung braucht. Ebenso muss ein konkreter Sachverhalt beschrieben werden, aus dem das Interesse der Person an der Wohnung klar wird. Ein Kündigungsschreiben ohne Begründung, warum der Vermieter die Wohnung benötigt, ist formell unwirksam.
Wer kann Eigenbedarf anmelden?
Wer konkret zu den Personen gehört, für die der Vermieter Eigenbedarf anmelden kann, ist im § 573 des BGB geregelt. Wörtlich heißt es dort: „Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn (…) der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Hausstands benötigt“. Zu den begünstigten Personen gehören dementsprechend neben dem Vermieter seine nächsten Angehörigen, wie Enkel, Kinder, Großeltern oder Geschwister. Haushaltshilfen oder Pflegepersonal können dazu ebenfalls gehören, aber nur, wenn sie im Hausstand des Vermieters leben und keinen eigenen Hausstand haben.
Eigenbedarf greift beispielsweise nicht bei:
- Geschiedenen Ehegatten
- Ex-Schwiegerkindern
- Stiefenkel (Hier handelt es sich um eine Ausnahme. Es ist ein Nachweis über besondere Bindung notwendig.)
- Cousins und Cousinen (Eine Ausnahme wird gemacht, wenn hier ein Nachweis über besondere Bindung vorliegt.)
Wann ist die Eigenbedarfskündigung unbegründet?
Sollten Vermieter aus unlauteren Gründen Eigenbedarf anmelden, so gilt die Kündigung generell als unwirksam. Hier gibt es mehrere Fälle, die darauf hinweisen, dass der Vermieter lediglich tricksen will.
Vorgeschobener Eigenbedarf
Es kann vorkommen, dass eine Eigenbedarfskündigung eingeht, ohne dass der Vermieter die Wohnung überhaupt nutzen will. Hier kann es etwa darum gehen, einen unliebsamen Mieter loszuwerden. Streitigkeiten über die Nebenkostenabrechnung oder Mietminderung können Hinweise darauf sein.
Rechtsmissbräuchlicher Eigenbedarf
Hier liegt Missbrauch zum Beispiel vor, wenn dem Vermieter im selben Haus mehrere vergleichbare Wohnungen gehören, in die der Mieter einziehen könnte.
Überhöhter Wohnbedarf
Sollte der Vermieter einen Eigenbedarf geltend machen, der darauf hinausläuft, dass etwa eine Single-Mutter mit einem Kind in eine 250 Quadratmeter große Wohnung zieht, so kann ebenfalls ein Missbrauch vorliegen.
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Treuwidriger Eigenbedarf
Sofern die Gründe für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs schon beim Abschluss des Mietvertrags vorlagen oder vorhersehbar waren, kann die Kündigung unwirksam werden.
Zweckverfehlung
Ebenso wird eine Eigenbedarfskündigung auch dann hinfällig, wenn die Wohnung für die ausgewählte Person nicht geeignet ist. Zum Beispiel, wenn eine Dachgeschosswohnung in einem Mietshaus ohne Fahrstuhl an eine gehbehinderte Seniorin übergeben werden soll.
Kündigungsfristen
Der Gesetzgeber hat klare Kündigungsfristen für den Fall einer Eigenbedarfsanmeldung festgelegt. Diese können je nach Art der Immobilie unterschiedlich ausfallen. § 573c des Bürgerlichen Gesetzbuches legt hier fest:
„(1) Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate.
(2) Bei Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet worden ist, kann eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart werden.
(3) Bei Wohnraum nach § 549 Abs. 2 Nr. 2 ist die Kündigung spätestens am 15. eines Monats zum Ablauf dieses Monats zulässig.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1 oder 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“
Die gesetzliche Kündigungsfrist ist dabei wie folgt gestaffelt:
- Null bis fünf Jahre: drei Monate Kündigungsfrist
- Fünf bis acht Jahre: sechs Monate Kündigungsfrist
- Ab acht Jahren: neun Monate Kündigungsfrist
In Gebieten, in denen der Wohnraum knapp ist, kann die Frist häufig länger sein und teilweise mehrere Jahre betragen. Die Details sind generell in den Rechtsverordnungen der Bundesländer geregelt.
Die Widerspruchsfrist
Mieter können einer Kündigung wegen Eigenbedarf widersprechen. Das muss jedoch bis zwei Monate vor dem Ende der Kündigungsfrist passieren. Ein Grund dafür kann sein, dass der Auszug für ihn, seine Familie oder andere Angehörige seines Haushaltes übermäßige Härte mit sich ziehen würde. Das kann bei hohem Alter, Krankheit, Schwangerschaft oder Suizidgefahr der Fall sein.
Um festzustellen, ob eine tatsächliche Chance auf einen rechtswirksamen Widerspruch besteht, sollte der Mieter sich den Rat eines Rechtsanwalts einholen. Es kann außerdem vorkommen, dass Kündigungsschreiben Mängel enthalten, die die Kündigung unwirksam machen – ein Anwalt kann diese Fehler identifizieren und dem Mieter zu seinem Recht verhelfen. Ein erfolgreicher Widerspruch kann entweder zur Nullifizierung der Kündigung oder zu einem befristeten längeren Mietverhältnis führen.
Gibt es Ausnahmeregelungen?
Je nach Art der Immobilie gibt es Sonderfälle, die die Kündigungsfristen deutlich beeinflussen können. Der erste tritt dann ein, wenn ein Mietshaus an einen neuen Eigentümer geht und dieser das Mietshaus in Eigentumswohnungen umwandelt. In diesem Fall besteht eine zeitlich begrenzte Kündigungssperre für den neuen Eigentümer. Eine Eigenbedarfskündigung ist dann erst nach drei Jahren möglich.
Im Gegenzug gibt es ein erleichtertes Kündigungsrecht, sofern der Vermieter in einem Zweifamilienhaus gemeinsam mit einer anderen Partei wohnt. Hier kann er jederzeit ohne die Angabe von Gründen kündigen. Dafür verlängert sich jedoch die gesetzliche Kündigungsfrist um drei Monate.
Anlaufstellen bei Fragen
Für gewöhnlich können Mieter, die sich gegen eine Kündigung wehren wollen, an einen Anwalt oder den Mieterschutzbund wenden. Der Mieterschutzbund kann auch zum richtigen Vorgehen beraten, sofern eine Kündigung wegen Eigenbedarf eingeht. Für Mieter kann ein Konflikt um die Eigenbedarfskündigung sehr teuer werden – etwa dann, wenn der Vermieter zur Räumungsklage greift und der Mieter unterliegt. Für solche Fälle lohnt sich eine Rechtsschutzversicherung.
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