Wird ein nahestehender Angehöriger zum Pflegefall, stehen berufstätige Familienmitglieder vor einer großen Herausforderung. Denn obwohl sich viele pflegebedürftige Menschen wünschen, von nahestehenden Personen versorgt zu werden, ist die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf nicht einfach. Doch es gibt Möglichkeiten, sich Unterstützung zu holen.
Zahlen zu pflegenden Angehörigen
Seit Jahren wächst die Zahl der Pflegebedürftigen. In Deutschland lebten Ende 2021 laut Statistischem Bundesamt rund 4,96 Millionen Menschen, die pflegebedürftig waren. 84 Prozent der Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Davon wurden 3,12 Millionen überwiegend von Angehörigen gepflegt – eine extreme Belastung für die Familien.
Da sich der Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen schnell ändern kann, müssen pflegende Angehörige flexibel reagieren. Doch genau hier steckt das Problem: Rund 2,5 Millionen pflegende Angehörige sind noch berufstätig. Über 70 Prozent davon sind Frauen. Die Vereinbarung von Beruf und Pflege der Angehörigen ist neben den körperlichen Strapazen daher die größte Herausforderung.
Wichtig ist jederzeit die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit und die anschließende Einstufung in einen Pflegegrad, um Geld- und Sachleistungen der Pflegekasse in Anspruch nehmen zu können.
Tag der Pflegenden – Ein Dank an alle Pflegekräfte
Die Belastung der Pflegekräfte ist enorm und verdient großen Respekt. Aus diesem Grund wird jedes Jahr am 12. Mai der internationale Tag der Pflegenden begangen. Das Datum geht auf den Geburtstag der britischen Krankenschwester Florence Nightingale zurück, die als Pionierin der modernen Krankenpflege gilt. Der Tag ist den Menschen gewidmet, die derzeit weltweit in Pflegeberufen arbeiten.
Dort mit eingeschlossen sind aber auch die vielen Pflegenden, die sich liebevoll um Angehörige, Freunde oder Nachbarn kümmern. Das oft gleichzeitig mit Arbeit, Kindern und den ganz normalen Aufgaben des Alltags. Ohne sie würde das Gesundheitswesen in Deutschland nicht funktionieren. Denn der Pflegenotstand in der professionellen Pflege wächst.
Verhinderungspflege – Auszeit für pflegende Angehörige
Die Pflege von Angehörigen ist nicht immer einfach und mit vielen Entbehrungen im eigenen Leben verbunden. Besonders, wenn Sie selbst einmal krank werden, wichtige Termine haben oder in den Urlaub wollen, müssen Sie auch an die zu pflegenden Verwandten denken. In diesem Fall greift die so genannte Verhinderungspflege. Für bis zu sechs Wochen im Jahr können pflegende Angehörige eine finanzielle Unterstützung für ihre Abwesenheit beantragen.
Anspruch auf Verhinderungspflege
Anspruch auf Verhinderungspflege haben grundsätzlich alle Menschen mit den Pflegegraden 2 bis 5.
Zusätzlich gibt es zwei entscheidende Voraussetzungen:
- Der Pflegebedürftige muss zum Zeitpunkt, zu dem die Verhinderungspflege in Anspruch genommen wird, zuvor mindestens 6 Monate zuhause gepflegt worden sein.
- Mindestens eine ehrenamtliche Person, also ein Verwandter, Freund oder Nachbar, muss regelmäßige Pflege dort leisten. Wer ausschließlich von einem Pflegedienst versorgt wird, hat demnach keinen Anspruch auf Verhinderungspflege, weil niemand verhindert ist.
Menschen mit Pflegegrad 1 haben keinen Anspruch auf Verhinderungspflege.
Höhe der Verhinderungspflege
Die Verhinderungspflege beläuft sich ab dem Pflegegrad 2 jährlich auf maximal 1.612 Euro, die Ihnen zur Bezahlung der Ersatzpflege zur Verfügung stehen. Wichtig ist zu unterscheiden, wer die Ersatzpflege übernimmt. Sind dies Angehörige, erhalten Sie das Pflegegeld für maximal sechs Wochen. Das entspricht also dem 1,5-fachen des sonst üblichen monatlichen Pflegegeldes. Bei professionellen Pflegekräften sind die maximal 1.612 Euro per Rechnungen und Belegen auszuschöpfen. Zusätzlich können die Leistungsbeträge für die Verhinderungspflege gesteigert werden, da bis zu 50 Prozent des Leistungsbetrages für die Kurzzeitpflege hinzukommt. Diese beläuft sich auf rund 806 Euro, die mit der Verhinderungspflege summiert werden kann. Damit stehen Ihnen bis zu 2.418 Euro zu.
Verhinderungspflege beantragen
Einen Antrag für die Verhinderungspflege muss die zu pflegende Person bei der Pflegekasse stellen. Eine Vorlage für diesen Antrag finden Sie auf den Webseiten der Pflegekassen. Da eine Verhinderung auch kurzfristig und unerwartet eintreten kann, greift die Verhinderungspflege auch ohne Voranmeldung. Damit muss der Antrag also nicht zwingend vor der Inanspruchnahme der Ersatzpflege eingehen, um die Leistungen auch zu erhalten. Wichtig ist dann, alle Belege und Rechnungen zu sammeln und diese bei der Pflegekasse inklusive des Antrags nachzureichen. Nach §45 SGB I kann das Geld der Verhinderungspflege bis zu 4 Jahre nach dem Jahr der Inanspruchnahme rückwirkend beantragt werden.
Familienpflegezeit und Pflegezeitgesetz
Um pflegende Angehörige stärker zu entlasten, hat die Bundesregierung die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen während der Familienpflegezeit verbessert. So haben Angehörige einen gesetzlichen Anspruch, während der Pflegezeit beruflich kürzer zu treten, ohne dabei ihren Beruf ganz aufgeben zu müssen. Dabei haben Sie unterschiedliche Möglichkeiten sich von Ihrem Job freistellen zu lassen.
Verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle sollen es Arbeitnehmern außerdem einfacher machen z.B. Angehörige zu pflegen. Informieren Sie sich dazu genauer.
Pflegeunterstützungsgeld
Haben Sie einen akuten Pflegefall in der Familie, können Sie jederzeit eine Auszeit von bis zu zehn Arbeitstagen nehmen. Das Pflegeunterstützungsgeld fungiert als Lohnersatzleistung. Handelt es sich um einen akuten Pflegefall, muss die kurzzeitige Freistellung unabhängig von der Betriebsgröße und ohne Ankündigungsfrist von Ihrem Arbeitgeber bewilligt werden.
Pflegezeitgesetz
Das Pflegezeitgesetz (§ 3 PflegeZG) regelt für pflegende Angehörige den ganzen oder teilweisen Ausstieg aus dem Job für maximal sechs Monate. Die vollständige oder teilweise Freistellung erfolgt dabei zu Gunsten der Betreuung eines nahen Angehörigen in häuslicher Pflege. Auch kann eine dreimonatige Befreiung für die Begleitung in der letzten Lebensphase beantragt werden. Im Übrigen: Eine vollständige Freistellung ist nur durch das Pflegezeitgesetz möglich.
Bitte beachten Sie: Der Antrag auf Pflegezeit muss mindestens zehn Tage vor Antritt beim Arbeitgeber eingehen. Die Gewährungspflicht einer Pflegezeit gilt jedoch nicht für Arbeitgeber mit in der Regel 15 oder weniger Mitarbeitern. Ein Musterschreiben zur Ankündigung der Pflegezeit finden Sie hier.
Familienpflegezeitgesetz
Das Familienpflegezeitgesetz (§2 & §3 FPfZG) regelt eine teilweise Freistellung für den Job. Diese kann jedoch anders als beim Pflegezeitgesetz für bis zu 24 Monate beantragt werden. Das Familienpflegezeitgesetz ist daher besonders für die länger andauernde häusliche Pflege geeignet und entlastet Familienangehörige, ohne den Beruf vollständig aufzugeben.
Wichtig: Der Antrag auf Familienpflegezeit muss mindestens acht Wochen vor Antritt beim Arbeitgeber eingehen. Die Gewährungspflicht einer Familienpflegezeit gilt jedoch nicht für Arbeitgeber mit in der Regel 25 oder weniger Mitarbeitern. Ein Musterschreiben zur Ankündigung der Familienpflegezeit finden Sie hier.
Voraussetzungen für die Antragstellung
Um den gesetzlichen Anspruch auf eine berufliche Auszeit nach dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz geltend zu machen, müssen einige Voraussetzungen vorliegen:
- Bei der zu pflegenden Person handelt es sich um einen nahen Angehörigen. Zu diesen zählen: Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Ehe- und Lebenspartner, Geschwister, Geschwister der Ehe- und Lebenspartner, Ehe- und Lebenspartner der Geschwister, Kinder, eigene Adoptiv- und Pflegekinder oder die des Ehe- oder Lebenspartners, Schwiegerkinder, Enkelkinder.
- Die zu pflegende Person muss ein Fall der Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch XI besitzen
- Die Pflegebedürftigkeit muss durch die Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachgewiesen werden.
- Die Pflege erfolgt zuhause.
Pflegezeit und Familienpflegezeit – Kombination der Freistellungsansprüche
Oftmals müssen sich Familienangehörige das erste halbe Jahr besonders intensiv um die Angehörigen kümmern und beantragen deshalb eine vollständige Freistellung für diesen Zeitraum. Dauert die Pflege länger an, kann aus einer kurzfristigen intensiven Pflege heraus auch ein länger andauernder Pflegezeitraum werden, der in Teilzeitarbeit bewältigt werden soll. Deshalb ist es möglich, im Anschluss an eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz, eine weitere Freistellung nach dem Familienpflegezeitgesetz in Anspruch zu nehmen oder umgekehrt.
Dabei gibt es jedoch einiges zu beachten:
- Es darf keine zeitliche Unterbrechung zwischen den Freistellungen geben. Ausnahme: Die Begleitung naher Angehöriger in der letzten Lebensphase kann jederzeit beantragt werden.
- Freistellungsansprüche nach dem Familienpflegezeitgesetz gelten nur für Arbeitsstätten mit über 25 Mitarbeitern, während Freistellungen nach dem Pflegezeitgesetz für Arbeitsstätten ab 15 Mitarbeitern gewährt werden. Beachten Sie also bei einer Kombination auch die Mitarbeiterzahl Ihrer Firma.
- Die Gesamtdauer aller Freistellungen darf 24 Monate nicht überschreiten. 6 Monate Pflegezeit könne also nur mit maximal 18 Monaten Familienpflegezeit kombiniert werden! Kurzfristige Freistellungen (10 Tage) nach einem Akutfall werden nicht berechnet.
Finanzielle Sicherheit für pflegende Angehörige
Zinsloses Darlehen
Wird die Arbeitszeit für die Pflege naher Angehöriger reduziert oder gänzlich aufgegeben, reduziert sich natürlich auch das Gehalt entsprechend. Nicht jeder kann sich dies ohne Unterstützung leisten. Seit Januar 2015 haben deshalb pflegende Beschäftigte im Rahmen des Pflege- und Familienpflegegesetzes Anspruch auf ein staatliches zinsloses Darlehen. Dieses wird vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben auf Antrag gewährt. Um eine Orientierung zur finanziellen Situation in der Pflegezeit zu geben, hat die Bundesregierung einen Familienpflegezeit-Rechner entwickelt, der persönliche Lebens- und Einkommensumstände berücksichtigt.
Kündigungsschutz
Besonders wichtig für Familien: Der Pflegende verfügt in der Pflegezeit über einen umfassenden Kündigungsschutz unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer eine Freistellung nach Pflege- oder Familienpflegegesetz beantragt hat. Der Arbeitgeber darf die Beschäftigung höchstens zwölf Wochen vor dem angekündigten Freistellungstermin beenden. Während der Freistellung ist eine Kündigung nur in Ausnahmefällen möglich.
Regelungen zur sozialen Absicherung
Beachten Sie, dass während einer Freistellung auch Fragen zur sozialen Absicherung in der Kranken-, Renten-, Pflege-, Unfall-, und Arbeitslosenversicherung geklärt werden müssen. Informationen hierzu kann der Pflegeberater der zuständigen Pflegekasse oder des privaten Versicherungsunternehmens geben.
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Kur für pflegende Familienmitglieder
Pflegende Familienmitglieder empfinden die seelische Belastung der Pflege meist als besonders große Herausforderung. Doch zu diesem permanenten psychischen Stress gesellen sich unweigerlich auch körperliche Schäden hinzu. Da Pflegebedürftige meist nicht mehr ohne Hilfe auf die Toilette gehen und geschweige denn sich selbstständig baden oder duschen können, müssen Familienmitglieder den Betroffenen stützen oder sogar aus dem Bett tragen und dies mehrmals am Tag. Schäden der Wirbelsäule und des restlichen Bewegungsapparates, bis hin zu Bandscheibenvorfällen, sind oftmals die Folge.
Um diesen Schäden rechtzeitig vorzubeugen, sollten sich pflegende Angehörige niemals zu sehr vernachlässigen. Damit der eigene Körper und die Seele wieder neue Energie tanken können, gibt es spezielle Kur-Angebote für pflegende Angehörige. Die Kur dauert in der Regel drei Wochen. Auf dem Programm stehen Therapien, Sport, Entspannung und Stressbewältigung. In Gruppen- und Einzelgesprächen wird auch die Pflegesituation in den Blick genommen.
Informationen und Hilfestellungen
Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums ist seit 2011 ein bundesweites Angebot für Ratsuchende rund um das Thema Pflege. Das Angebot richtet sich an Pflegebedürftige, aber auch an pflegende Angehörige. Es bietet fachliche Informationen zu allen Leistungsansprüchen und Unterstützungsmöglichkeiten im Pflegekontext.
Auch Krankenkassen bieten hilfreiche Angebote für pflegende Angehörige an. Hier erhalten Sie zum Beispiel Informationen zur sozialen Absicherung während der Pflegetätigkeit oder auch Pflegekurse und Schulungen. Wenden Sie sich an Ihre zuständige Krankenkasse oder an Ihren Hausarzt.
In den meisten Städten gibt es Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige. Im Austausch mit anderen Pflegenden steht nicht die Pflegesituation, sondern der Pflegende selbst und seine Bedürfnisse im Vordergrund. Oft hilft es schon, auf Verständnis für die seelischen und körperlichen Belastungen zu treffen.
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