Wir leben in einer sitzenden Gesellschaft. Allein etwa 17 Millionen Deutsche nehmen in ihrer Arbeit täglich auf einem Bürostuhl Platz. Und das für durchschnittlich mehr als acht Stunden. Abwechslung ist in der Regel nur selten möglich. Hinzu kommt eine meist starre und verkrampfte Körperhaltung vor dem Bildschirm. Diese kann – besonders auf Dauer – sehr ungesund sein. Ergonomie am Arbeitsplatz ist daher ein wichtiges Thema um gesundheitliche Schäden im Muskel-, Gelenk- und Skelettapparat vorzubeugen. Doch wie sollte ein ergonomischer Arbeitsplatz ausgestattet sein? Welche Rechte haben Sie als Arbeitnehmer? Und wie vorgehen, wenn Sie medizinischen Bedarf nach ergonomischen Arbeitsmitteln besitzen?
Typische Bürokrankheiten sind weit verbreitet
Rückenschmerzen, ein steifer Hals oder Kopfweh. Zahlreiche Arbeitnehmer kennen die so genannten Bürokrankheiten. Dennoch können sie sich ihrer – sei es durch das Arbeitspensum oder den Arbeitsplatz selbst – nur schwer entziehen. Bevor die Symptome jedoch zu chronischen Schmerzen werden, sollten Sie rechtzeitig einschreiten und einen Arzt konsultieren. Doch was sind eigentlich die häufigsten Bürokrankheiten und wie machen sich diese körperlich bemerkbar?
- Ständige Müdigkeit
In fast jedem Büro ist das Phänomen zu beobachten: Gähnende Mitarbeiter bereits um die Mittagszeit. Der Grund für ein Gefühl ständiger Müdigkeit kann auch im Büro selbst liegen. Ist es beispielsweise bereits zu Beginn des Arbeitstages stickig und die Luft fühlt sich besonders schwer an, fehlt in der Regel Sauerstoff. Dieser Sauerstoffmangel stört die Mikrozirkulation im Blut, die den Körper müde macht. Hinzu kommen – aufgrund des wenigen Blutes im Gehirn – Kopfschmerzen und Schwindelgefühle. Personen mit Gefäßerkrankungen droht sogar Ohnmacht. Eine Variante der schlechten Luft vorzubeugen sind Klimaanlagen. Diese sorgen zwar für Luftzirkulation, jedoch trocknen sie die Luft auch aus. Die Trockenheit führt dann zu bekanntem Problem: Störungen in der Mikrozirkulation. - Allergien
Bürostaub, Klimaanlagen und Stress können Allergien hervorrufen. Symptome wie Halskratzen, gerötete Augen, Juckreiz und ständiges Nießen deuten auf eine Allergie hin. - Augenreizung
Wer den ganzen Tag auf einen Monitor blickt, bekommt oft trockene Augen. Grund ist das ständige Schauen in eine beleuchtete Lichtquelle und die Fokussierung der Augen auf einen nahen Gegenstand. - Rückenschmerzen
Der Klassiker unter den Bürokrankheiten. Das tägliche Sitzen belastet die Wirbelsäule und Bandscheiben. Haben Sie zudem eine schlechte Haltung und beugen sich dauerhaft zum Monitor, riskieren Sie einen Bandscheibenvorfall oder das Einklemmen von Nerven. Auch Schmerzen der Rückenmuskulatur und im Nacken- bzw. Halsbereich sind typisch. - Krampfadern
Langes Sitzen schadet nicht nur dem Rücken, sondern auch den Beinen. Denn die mangelnde Bewegung lässt zusätzliches Blut in den Beinen sammeln, das zunächst das Anschwellen der Glieder bewirkt und letztlich zu Krampfadern führt. Hinzu kommt, dass viele Damen ihre Beine gerne übereinander schlagen. Diese Angewohnheit presst jedoch die Venen zusammen und hindert das Blut am Zirkulieren. - Karpaltunnelsyndrom
Lange Computerarbeiten gehen oft mit Handgelenksproblemen einher. Denn mehrere Stunden täglich kreisende Bewegungen mit einer Maus auszuführen, kann zu Schmerzen und Krämpfen führen. Der Grund sind meist eingeklemmte Nerven, die Sehnen anschwellen und Finger taub werden lassen. - Magenbeschwerden
Ein kleiner Snack zwischendurch muss im Arbeitsleben oft reichen. Denn nicht jede Arbeitsstelle besitzt eine Kantine mit gesundem Essen. Magenbeschwerden, Übergewicht und Schwierigkeiten mit der Verdauung sind die Folge. Zudem schlagen Stress und Schlafmangel ebenfalls auf den Magen - Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Hohes Arbeitspensum, Stress und wenig Bewegung. All diese Faktoren fördern Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Kommen ständige Kopfschmerzen, einengende Gefühle im Brustkorb, Müdigkeit und Kopfschmerzen hinzu, können dies Anzeichen für eine beginnende koronare Herzerkrankung sein.
Was ist bei der Einrichtung eines ergonomischen Arbeitsplatzes zu beachten?
Ein ergonomischer Arbeitsplatz bedeutet nicht einfach nur einen rückenschonenden Schreibtischstuhl zu besitzen. Ergonomie in der Arbeit bedeutet in der Regel zunächst einmal, dass das Arbeiten für Körper und Geist unbeschadet stattfinden kann. Dazu gehören jedoch mehrere Punkte:
- Raumklima
Um Allergien und mangelnde Durchblutung im Kopf zu vermeiden, sollte das Raumklima stimmen. Die Luftfeuchtigkeit sollte zwischen 40 und maximal 70 Prozent liegen. Trockene Räume sind besonders schlecht für die Konzentration. Abhilfe schaffen in der Regel Luftbefeuchter oder mehrere Pflanzen. - Licht
Jeder Arbeitsplatz sollte gut ausgeleuchtet sein. Zudem darf der Monitor nicht durch einstrahlendes Licht spiegeln. Sollten die Lichtverhältnisse im Laufe des Tages schwanken, achten Sie darauf ihre Bildschirmhelligkeit anzupassen. Dunkle Bildschirme an bedeckten Tagen können die Augen auf Dauer schwächen. - Lautstärke
Die Arbeitsplätze sollten so gut wie möglich von Lärmquellen abgeschottet sein. Besonders in großen Büros mit vielen Mitarbeitern ist das jedoch oft nicht möglich. Manche Großraumbüros behelfen sich hier mit Schallwänden und speziellem Fußbodenbelag. - Sitzmöbel / Schreibtisch
Die Sitzmöbel und der Schreibtisch in einem Büro sollten eine aufrechte Sitzhaltung ermöglichen. Dabei sollten beide Füße des Mitarbeiters mit ganzer Sohle den Boden berühren. Ober- und Unterschenkel sowie Ober- und Unterarm sollten einen 90-Grad-Winkel bilden. Schreibtischplatte und Stuhl müssen sich entsprechend in der Höhe verstellen lassen, dass dies möglich ist. Zudem sollte der Schreibtischstuhl eine flexible Rückenlehne haben und die Wirbelsäule beim Anlehnen stützen. Sie sollten regelmäßig Aufstehen und sich die Beine vertreten. Auch in der Mittagspause sollten Sie langes Sitzen vermeiden. Kreisende Bewegungen mit dem Kopf, Hand- und Fußgelenken kann die Muskeln zusätzlich entspannen. - Monitor, Maus und Tastatur
Es sollte für die Arbeit mindestens ein großer Bildschirm zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollte der Monitor etwa 50 bis 60 Zentimeter von den Augen wegstehen. Entsprechend breit muss der Arbeitstisch sein. Maus und Tatstatur sollten bereitgestellt werden. Die Tastatur sollte zudem die Arbeit mit geraden Handgelenken ermöglichen. Das Schrägstellen von Tatstaturen ist daher eher unvorteilhaft. Schließen Sie auch ab und an die Augen und schauen vom Monitor weg. So beanspruchen Sie ihre Augen nicht zu sehr.
Welche Pflichten hat der Arbeitgeber mir gegenüber?
Das Thema Ergonomie am Arbeitsplatz beschäftigt nicht nur Arbeitnehmer, sondern ist auch für Arbeitgeber ein wichtiger Aspekt. Grundsätzlich gilt: Der Arbeitgeber muss die Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, die dem Stand der Technik entsprechen. Stühle, Monitore und anderes Arbeitsmaterial dürfen also nicht veraltet oder beschädigt sein. Zudem muss der Arbeitgeber laut § 3 ArbSchG „eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten“ anstreben. Obwohl also der Begriff Ergonomie im Arbeitsschutzgesetz nicht explizit genannt wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet im Rahmen des Arbeitsschutzes auch ergonomische Aspekte zu beachten. Wie genau dies ausgelegt wird, ist gesetzlich jedoch nicht fest verankert. Es existieren lediglich Richtlinien, wie ergonomisches Arbeiten auszusehen hat. Entsprechend sollten Arbeitgeber sicherstellen, dass beispielsweise folgende Aspekte erfüllt sind:
- Angemessenes Raumklima
- Keine unzumutbare Lärmbelastung
- Ergonomische und höhenverstellbare Sitzmöbel und Tische
- Ausreichend Beinfreiheit
- Je nach Bildschirmgröße: Genügend Abstand zu den Augen
Je nach Tätigkeitsbereich und Beruf gibt es eine Vielzahl an Gesetzen, die den Arbeitgeber zur ergonomischen Ausstattung des Arbeitsplatzes verpflichten. Darunter fällt beispielsweise:
- die Arbeitsstättenverordnung
- Arbeitsschutzgesetz
- das Produktsicherheitsgesetz
- das Bürgerliche Gesetzbuch
- das Jugendarbeitsschutzgesetz
Zudem ist in der Arbeitsstättenverordnung auch die Bildschirmarbeitsverordnung enthalten, die weite Teile der ergonomischen Büroarbeit regelt. Arbeitnehmer haben Anspruch auf spezielle Arbeitsmittel insofern dies die Tätigkeit erfordert. Hierfür gibt es diverse Sondergesetze, die die Schutzausrüstung je nach Branche und Berufsbild regeln.
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Welche Ansprechpartner gibt es, wenn bereits Probleme bestehen?
Dennoch gibt es viele Angestellte, die Probleme mit der gestellten Büroausstattung haben. In diesem Fall müssen Sie, je nachdem ob bereits medizinische Probleme bestehen oder nicht, unterschiedlich handeln. Wir zeigen Ihnen zwei Szenarien auf:
Szenario 1: Bereitgestelltes Arbeitsmaterial führt zu Schmerzen
Haben Sie beispielsweise dauerhaft Rückenschmerzen oder Ihr Nacken ist häufig verspannt, kann dies natürlich am Bürostuhl liegen. Dabei muss der Arbeitgeber zunächst nicht handeln, insofern er ergonomische – beispielsweise höhenverstellbare Stühle und Tische – bereitgestellt hat. Lassen Sie das Equipment zunächst also von einem Experten prüfen. Ist der Arbeitsstuhl nicht richtig eingestellt oder der Tisch zu hoch, kann auch hier die Ursache für die gesundheitlichen Beschwerden liegen. Eine falsche Haltung gleicht auch ein ergonomischer Bürostuhl nicht aus. Hilfe erhalten Sie dabei an folgenden Stellen:
- Hersteller
Ansprechpartner könnten in diesem Fall zunächst die Hersteller sein. Diese veröffentlichen die richtige Sitzweise auf Büromöbeln oft auf ihren Webseiten oder lassen sogar Mitarbeiter kommen, um Sie in der richtigen Bedienung der Stühle und Tische einzuweisen - Betriebsarzt und Betriebsrat
Auch der Betriebsarzt kann ein guter Ansprechpartner für anhaltende Beschwerden sein. Zudem gibt es in vielen Betrieben Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Ihnen als Experten zur Verfügung stehen. Auch der Betriebsrat – insofern vorhanden – nimmt sich solcher Probleme an. Haben Sie Probleme mit den Augen, steht ihnen bei Arbeiten an Bildschirmen auch eine regelmäßige Augenuntersuchung auf Kosten des Arbeitgebers zu (§ 6 Bildschirmarbeitsverordnung, ArbMedVV Anhang Teil 4 Absatz 2 Nummer 1 Satz 2). - Krankenkassen
Zudem existiert ein neues Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) in dessen Zuge auch Krankenkassen mit regionalen Stellen für Unternehmen Beratung in Sachen betrieblicher Gesundheitsförderung anbieten. Eine Übersicht der Ansprechpartner finden Sie auf der Webseite des GKV Spitzenverbandes. - Berufsgenossenschaft
Auch die Berufsgenossenschaften und die gesetzlichen Unfallkassen bieten in der Regel Hilfe für Arbeitnehmer mit ergonomischen Problemstellungen am Arbeitsplatz an. Informieren Sie sich hierzu auf den Webseiten der jeweiligen Berufsgenossenschaften. - Facharzt für Arbeitsmedizin
Sind bereits Schmerzen oder andere medizinische Probleme aufgetreten, können Sie auch einen Facharzt für Arbeitsmedizin konsultieren. Ebenso denkbar sind die Ansprache von Orthopäden oder Fachärzten für Augenheilkunde. Sprechen Sie diese dann direkt auf Ihre Arbeitssituation an. Die Ärzte können bei schwerwiegenden oder anhaltenden Beschwerden auch Atteste ausstellen, die eine medizinische Notwendigkeit von bestimmten Arbeitsmitteln bestätigen.
Szenario 2: Es bestehen medizinische Probleme
Sind bereits medizinische Probleme wie Bandscheibenvorfälle, Nervenerkrankungen oder andere auf die Arbeitsausstattung bezogene Probleme vorhanden, erhalten Sie an diversen Stellen Unterstützung. Der Arbeitgeber muss auch hier nicht eingreifen.
- Rentenversicherung
Der erste Ansprechpartner ist hier nicht unbedingt der Arbeitgeber, sondern die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Bei dieser besitzen Sie die Möglichkeit die Förderung für bestimmte Arbeitsmittel zu beantragen. Liegt beispielsweise ein medizinisches Attest oder ein Abschlussbericht eines Klinikums vor, fördert die Trägerschaft Schreibtische bis zu einer Höhe von 1.200 Euro und Stühle bis zu 435 Euro. Doch Vorsicht: Voraussetzung hierfür ist die Vollendung des 28. Lebensjahres und die Beitragszahlung von bereits 180 Monaten beim Rententräger. Ist dies nicht gegeben, wenden Sie sich an das Arbeitsamt. - Arbeitgeber
Kostet ein höhenverstellbarer Stehschreibtisch mehr als die oben genannte Summe, müssen Sie die Restkosten in der Regel selbst tragen. Dennoch sind viele Arbeitgeber mittlerweile bereit, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren und gleichen die Kostendeckung aus. Sprechen Sie also hier mit Ihrem Arbeitgeber. Übrigens: Haben Sie Probleme mit den Augen und liegt ein ärztliches Attest vor, muss der Arbeitgeber eine Bildschirmarbeitsbrille bezahlen. - Arbeitsamt
Sind die Voraussetzungen für einen Zuschuss der Rentenversicherung nicht gegeben, können Sie einen Antrag auch beim Arbeitsamt stellen. Dieses prüft dann, ob die Behörde oder die DRV zuständig ist. Auch hier ist jedoch ein medizinisches Attest oder ein Krankenhausbericht verpflichtend.
Wenn die Bewegung zu kurz kommt – Ausgleichssport suchen
Nicht nur der Arbeitsplatz sollte ergonomisch gestaltet sein. Auch der Arbeitnehmer ist angehalten etwas für seine Gesundheit zu tun. Kommt also die Bewegung in der Arbeit zu kurz, sollten Sie sich einen Ausgleichssport suchen. Natürlich ist das bei einer 40-Stunden-Arbeitswoche nicht immer ganz einfach. Einige Sportarten eigenen sich jedoch hier besonders, um sie in den Alltag zu integrieren:
- Laufen / Joggen
Der Vorteil des Joggens ist, dass Sie die Sportart ohne Hilfsmittel und ohne Abhängigkeit von Öffnungszeiten oder Kursterminen wahrnehmen können. Auch wechselnde Arbeitszeiten in Früh- oder Spätschichten sind hier kein Problem. Zur Motivation suchen Sie sich eine Strecke, die Ihnen besonders gut gefällt – sei es einmal morgens durch die Stadt oder abends durch den nahegelegenen Park. Einfach Schuhe an und los geht’s. - Radfahren
Noch besser in den Alltag integrierbar als Laufen ist wohl Radfahren. Denn hier tun Sie sich nicht nur selbst etwas Gutes, Sie können den Sport auch gleich mit Ihrem Arbeitsweg verbinden. Statt das Auto oder die Bahn zu nehmen, ab auf das Fahrrad. - Schwimmen
Gibt es ein Schwimmbad in Ihrer Nähe, können Sie auch regelmäßig ein paar Bahnen Schwimmen gehen. Die Sportart ist dabei besonders für Menschen geeignet, die bereits medizinische Probleme haben, da Schwimmen zwar Kraft und Ausdauer trainiert, jedoch die Gelenke im Wasser schont. Der Nachteil: Sie müssen sich nach den Öffnungszeiten der Schwimmbäder richten. - Fitnessstudio
Das Fitnessstudio ist wohl der Klassiker unter den Ausgleichssportarten. Denn hier erhalten Sie ein Ganzkörpertraining, das individuell auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt ist. Auch Personen mit körperlichen Einschränkungen können sich hier nach eingehender Beratung fit halten. Zudem bieten die meisten Studios auch vielfältige Kursprogramme an, an denen Sie teilnehmen können. Probieren Sie sich hier aus.
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