Jedes Kind ist anders und hat individuelle Entwicklungsschritte und Bedürfnisse, auf die Eltern und Verantwortliche Rücksicht nehmen sollten. Dennoch tendieren Eltern und Verwandte dazu, das eigene Kind oder ein Familienmitglied mit anderen Kindern zu vergleichen. Scheint ein Kind in seiner Entwicklung nicht so schnell zu sein, wie andere Kinder im gleichen Alter, treten schnell Sorgen bei den beteiligten Familien auf. Eine Frühförderung des Kindes kann in diesem Fall der Schlüssel zum richtigen Umgang mit der Situation sein.
Was ist Frühförderung?
Die Frühförderung, wie wir sie heute kennen, stellt ein Förderangebot für Kinder mit Behinderung oder Entwicklungsbeeinträchtigung dar. Die Frühförderung gilt nicht nur für die Kinder, sondern auch für deren Familien, die Unterstützung brauchen. Sie ist eine spezielle Hilfeform, die im gesetzlichen Rahmen angeboten wird und bereits Kinder ab Babyalter mit einbezieht. Bis zum Grundschulalter gibt es Angebote der Frühförderung, welche die Eltern mit dem familienorientierten Leitgedanken „Mit den Eltern für das Kind…“ in die Förderung des Kindes involviert.
Das Ziel der Frühförderung ist es, das Kind mit der Beeinträchtigung oder Behinderung so schnell es geht in seinem weiteren Lebensweg zu fördern und zu unterstützen. Wenn sie früh genug in Anspruch genommen wird, kann die Frühförderung bei Kindern sogar Behinderungen mildern.
Es geht vor allem darum, Kindern zu vermitteln, wie sie mit ihrer individuellen Krankheit, Beeinträchtigung oder Behinderung umgehen können. In der Frühförderung werden den Kindern und den Familien die Werkzeuge vermittelt, die sie für den weiteren Lebensweg mit der jeweiligen Situation benötigen.
Die Frühförderung ist in vielen Fällen das erste Angebot, das Eltern mit einem Kind mit Behinderung oder Entwicklungsbeeinträchtigung annehmen. Frühförderstellen und Zentren bieten Kindern und ihren Familien Hilfe und leisten die frühste und bestmögliche Unterstützung und Förderung zur Erkennung und Milderung von Beeinträchtigungen beim Kind.
Welche Kinder brauchen Frühförderung?
Wenn das Verhalten der Kinder im Vergleich zu gleichaltrigen Spielkameraden signifikant anders wirkt, ist eine Frühförderung sinnvoll. Sie kann aber auch vorbeugend eingesetzt werden. Wenn Ereignisse wie Frühgeburt, Geburtsprobleme, Krankheiten oder Unfälle Anlass für eine zu erwartende Förderungsnotwendigkeit geben und Eltern Unterstützung und Beratung zur kindlichen Entwicklung benötigen.
Kinder, die folgende Beispielmerkmale aufzeigen, könnten von einer Frühförderung profitieren:
- Erschwerte Kontaktaufnahme mit Gleichaltrigen und Erwachsenen
- Vorwiegende Selbstbeschäftigung
- Spielunfähigkeit und Unbeholfenheit beim Entdecken der Welt
- Sichtbare Probleme in Bewegungsabläufen wie beim Greifen oder der Handhabung von Spielzeug und anderen Gegenständen
- Konzentrationsprobleme und geringe Aufmerksamkeitsspanne auch bei simplen Vorgängen
- Geistige oder motorische Beeinträchtigungen oder Behinderungen
- Sprachstörungen
- Seh- und Hörstörungen
- Genetisch bedingte Entwicklungsstörungen
Eltern sollten sich selbst vertrauen, wenn es um die Einschätzung ihrer Kinder geht. Die Beobachtung und Sorge der Eltern sind ein wichtiger Schritt in der Beurteilung und berechtigen in der Regel eine genauere Untersuchung im Rahmen der Diagnose für Frühförderung. Auch Erziehende und andere Erwachsene im Umfeld des Kindes können bei Unsicherheit helfen. Je früher ein Kind die Frühförderung in Anspruch nehmen kann, desto eher kann es lernen, mit der Beeinträchtigung oder Behinderung umzugehen.
Was für Leistungen der Frühförderung gibt es?
Die Frühförderung umfasst unterschiedliche Hilfen, die je nach individueller Beeinträchtigung des Kindes in Anspruch genommen werden können. Dazu gehören unter anderem medizinische, psychologische, pädagogische und soziale Hilfen. Familien können somit beispielsweise Krankengymnastik bei Bewegungseinschränkungen in Anspruch nehmen. Ergotherapie hilft, die Handlungsfähigkeit des Kindes zu fördern, Logopädie hingegen wird bei Sprachfehlern oder -störungen zur Hilfe gezogen.
Die Leistungen der Frühförderung umfassen Beratung und Gespräche mit Vertretern der entsprechenden Fachrichtungen, in denen das Kind Förderung benötigt. Daraufhin werden ein Förderkonzept und eine Anleitung als Unterstützung für die Eltern und weitere Bezugspersonen erstellt. Der weitere Austausch und Absprache zur Entwicklung und Förderung des Kindes ist inbegriffen, ebenso wie weiterführende Fragen im Laufe des Prozesses zu Verhalten und Erziehung.
Ebenso wird bei der Frühförderung die Gestaltung des Alltags mitbedacht und Eltern können Unterstützung für die Verarbeitung der Krankheit oder Behinderung ihres Kindes erhalten. Darüber hinaus werden Eltern dabei unterstützt zu lernen, wie sie selbst das Kind zu Hause anregen und fördern können. Abschließend bezieht die Frühförderung auch den Austausch und weitere Zusammenarbeit mit den anderen Einrichtungen, die das Kind besucht, mit ein. Dazu gehören Kindertagesstätten und Schulen, aber auch die Vermittlung zu weiteren Hilfs- und Beratungsangeboten.
Was heißt „interdisziplinäre“ Frühförderung?
Braucht ein Kind in mehreren Bereichen Unterstützung, hilft die interdisziplinäre Frühförderung. In dieser wirken unterschiedliche Berufsfelder wie Ärzte, Therapeuten, Psychologen und Heilpädagogen in einer gemeinsamen Strategie für das Kind eng zusammen. Das entwickelte Förderkonzept und der Behandlungsplan gehen auf alle Ebenen der Förderungsnotwendigkeit beim vorliegenden Fall ein.
Gesetzlich als „Komplexleistung“ bezeichnet, umschreibt die interdisziplinäre Frühförderung eine eigenständige Leistungsform. Es ist also nur möglich, eine interdisziplinäre Frühförderung in einer entsprechend ausgewiesenen Frühförderstelle in Anspruch zu nehmen. Diese Frühförderstelle muss außerdem staatlich anerkannt sein. Die verschiedenen Disziplinen der benötigten Therapien werden zusammengefasst und vollständig von der interdisziplinären Frühförderstelle übernommen. Das erleichtert die Kommunikation der Eltern mit den Ansprechpartnern, die alle an einem Ort zusammenkommen.
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Was ist eine Heilpädagogische Leistung?
Das Förderangebot der heilpädagogischen Leistung steht unter dem Schirm der Frühförderung für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, Störungen oder (drohenden) Behinderungen. Alle Aspekte der kindlichen Entwicklung werden in der heilpädagogischen Förderung in Betracht gezogen.
Die vermittelten Förderimpulse, abgestimmt auf ein pädagogisch aufgebautes Angebot, wecken, verstärken und festigen die allgemeinen Fähigkeiten des Kindes mit Blick auf eine altersgerechte Entwicklung. Ziel ist es, die Behandlung für die Kinder möglichst spielerisch zu gestalten. So sollen die Motivation und der Mitmachcharakter aufrecht gehalten und die Erfolge nach dem Tempo des Kindes gestaltet werden.
Was kostet die Frühförderung?
Wird die Behandlung in Form einer Frühförderung ärztlich verordnet, ist sie kostenlos. Krankenkasse oder Eingliederungshilfe zahlen die Kosten für Therapien und Behandlungen im Rahmen einer ganzheitlichen, interdisziplinären Frühförderung. Der Anspruch zur Frühförderung ist außerdem im Sozialgesetzbuch festgelegt. Frühförderstellen geben Eltern zusätzliche Auskunft zu Kosten und Übernahme.
Unterschiede gibt es, wenn die gewählten Behandlungen weg von den interdisziplinären Frühförderungen gehen und ausschließlich die heilpädagogische Leistung gewählt wird. Die Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe ist in diesem Falle alleiniger Finanzierer. Die Krankenkasse kommt hingegen nur für medizinisch-therapeutische Leistungen auf.
Wie beantrage ich die Frühförderung?
Als Komplexleistung und mit einem interdisziplinären Ansatz ist es wichtig, für eine Geltendmachung des Anspruchs eine entsprechende ärztliche Diagnose und Empfehlung für das Kind einzuholen. Da das Stellen des Antrags nicht einheitlich geregelt ist, helfen Ärzte und Gesundheitsämter als Anlaufstelle bei den Anträgen weiter. Gegebenenfalls wird eine Genehmigung vom Sozialamt benötigt. Frühförderstellen helfen darüber hinaus, wenn Probleme oder Fragen zum Antrag auf Frühförderung auftauchen.
Nach Bewilligung des Antrags werden die Kosten wie beschrieben übernommen. Frühförderung ist unabhängig von Alter des Kindes, Einkommen und Situation der Familien kostenlos. Das garantiert der Rechtsanspruch auf die Finanzierung zur Frühförderung im Sozialgesetzbuch.
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