Eine Krebserkrankung stellt eine Beziehung nicht selten auf eine harte Probe. Neben dem Schock und der Sorge über die ungewisse Zukunft stellt sich auch die Frage, ob und wie sich die Einstellung zum Partner verändert. „In guten wie in schlechten Zeiten“, bekommt mit der Diagnose eine völlig neue Dimension.
Ängste zulassen und Sorgen aussprechen
In einer gesunden Partnerschaft unterstützen sich beide gegenseitig. Hat die Beziehung schon über Jahrzehnte Bestand, kennen beide die Stärken und Schwächen des jeweils anderen. Sie ergänzen sich, unterstützen sich und nehmen Hilfe an. Erkrankt einer von beiden schwer, gerät das Gleichgewicht aber durcheinander. Die Partner müssen neu zueinander finden. Das kann auch bedeuten, dass sie die Rollen tauschen müssen, die sich über eine lange Zeit bewährt haben. Hier sind es vor allem die langjährigen Paare, die vor einer schwierigen Herausforderung stehen, denn bei ihnen können sich die Rollen stark verfestigt haben. Sich daraus zu befreien, neue Aufgaben zu übernehmen und sich zusätzlich intensiv um den anderen zu kümmern, bringt beide an die Grenzen.
Bei jungen Menschen mit Kindern ist diese Belastung besonders hoch. Schließlich bleibt die Alltagsbelastung bestehen, zu der die Berufstätigkeit mit zählt. Sorgen um die Zukunft, die auch finanzieller Art sind, belasten beide Partner und damit die Beziehung. Vor diesem Hintergrund sollten sich beide bewusst werden, dass nichts mehr so ist, wie es war und dass sich ab sofort alles ändert. Je eher sie bereit sind, sich darauf einzulassen, desto eher besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Krise emotional bewältigen können. Dazu gehört, Schmerz, Wut, Enttäuschung und Angst zuzulassen.
Ungewissheiten und Probleme dürfen ausgesprochen werden. Es ist nur natürlich, wenn das Schritt für Schritt passiert. Beide Partner sollen und dürfen dabei professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie das möchten. Selbsthilfegruppen, Psychotherapeuten und Sozialverbände bieten geschultes Personal, das wichtige Fragen beantwortet und Helfer vermittelt, wenn es für die Betroffenen zu viel wird. All das sind mögliche Angebote, die freiwillig sind. Wer die Konflikte allein bewältigen möchte, hat dazu alle Rechte. Paare, die sich noch nicht lange kennen oder bei denen es Konflikte gibt, können an einer Krebserkrankung scheitern oder wieder zusammenfinden. Sie müssen für sich selbst herausfinden, ob sie das können und wollen.
Den Druck aushalten und als Paar bestehen
Auch in einer stabilen Beziehung ist eine so schwere Diagnose eine Krise. Es ist nur natürlich, dass der nicht erkrankte Partner versucht, den Patienten nach Kräften zu motivieren und dazu zu bringen, gegen die Erkrankung anzukämpfen. Dem Patienten selbst kann das in vielen Situationen helfen, es kann lebenswichtiger Halt sein, es kann ihn aber auch überfordern, wenn Schmerzen und Erschöpfung die Belastungsgrenze dauerhaft überschreiten. Da hilft es auch nicht, wenn Experten versichern, dass solche Situationen nahezu alle Krebspatienten und ihre Partner betreffen. Jedes Paar muss sich dieser Situation stellen und sich bemühen, die Anforderungen zu bewältigen. Es gibt keine Abkürzung und keinen Umweg.
Da jede Krebserkrankung einen anderen Verlauf nehmen kann, gibt es keine allgemeingültige Empfehlung. Hier spielt die persönliche Lebenssituation des Paars eine wichtige Rolle. Die Beteiligten sollten sich deshalb stets bewusst sein, dass sie Anspruch auf erfahrene Helfer haben, die ihnen mit wichtigen Tipps zur Seite stehen. Sie können für Klarheit in schwierigen Situationen sorgen. Dazu gehört auch das Verständnis dafür, dass die Partner die Krebserkrankung unterschiedlich erleben und entsprechend unterschiedlich bewältigen müssen. Dennoch müssen sich beide bewusst machen, dass es keine Garantie dafür gibt, dass die Beziehung diese Herausforderung übersteht. Diese Erkenntnis sollte kein drohendes Szenario sein, sondern eine Warnung, den anderen mit Respekt zu behandeln, der die Situation ebenfalls bewältigen muss, nur eben aus einer anderen Perspektive.
Nach der Krebserkrankung – wie geht es weiter?
Mit der Krebserkrankung nimmt auch das Erleben von Sexualität in einer Beziehung ab. Nähe und Zärtlichkeit darf und soll es in schmerzfreien Zeiten geben, sofern die körperliche Kraft dafür ausreicht. Die Vielzahl der Medikamente beeinflusst allerdings viele Körperfunktionen. Potenz und die Durchblutung der Schleimhäute gehört dazu, was Intimitäten unmöglich machen kann. Sexualität ist für die meisten Paare ein unverzichtbarer und menschlicher Stabilisator der Beziehung. Wenn das nicht funktioniert, kann psychotherapeutische Unterstützung helfen, den Verlust der Nähe und die damit verbundene Enttäuschung zu akzeptieren. Auch hier ergeben sich im Rahmen der Gespräche mit erfahrenen Fachkräften Möglichkeiten, die eigenen Hoffnungen und Enttäuschungen in Worte zu fassen und zu verstehen. Das ist wichtig, denn das Hadern mit dem unausweichlichen Schicksal blockiert im Alltag und kann schlimmstenfalls die Atmosphäre vergiften bzw. den Umgang miteinander erschweren. Die Chancen, dass es wieder körperliche Nähe geben wird, stehen gut. Aber manches kann sich auch dauerhaft verändern.
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Veränderte Körper nach durchgemachter Krebserkrankung
Es sind vor allem die Operationen und Medikamente, die für eine dauerhafte Veränderung des Körpers sorgen. Männer können ihre Erektionsfähigkeit verlieren, Frauen erleben Brustamputationen als einen Eingriff in ihre Weiblichkeit. Es kommt zu Veränderungen der eigenen Wahrnehmung und kann die Sexualität einschränken bzw. unmöglich machen. Je vertrauter das Paar miteinander ist und umso bereitwilliger, die Situation anzunehmen, desto erfüllender können neue Erfahrungen sein. Eine Krebserkrankung zu überstehen, ist ein großer Erfolg. Dennoch verändert es das Paar, wie auch die Familie, und das hat Einfluss auf das Zusammenleben. Der Patient braucht Zuspruch und genug Zeit zu verstehen, dass die Gefühle sich nicht verändern, wenn der Körper nicht mehr der ist, der er vorher war. Der Partner darf nicht in die Situation gedrängt werden, die einzige Person zu sein, die Halt und Kraft gibt. Beide brauchen Unterstützung und haben das Recht, Schwäche zu zeigen.
Zukunftspläne, die sich ändern
Trifft es junge Paare, die noch in der Familiengründung sind, hat die Krebserkrankung oft genug Folgen, deren Ausmaß sich erst später offenbart. Dazu gehört die Erkenntnis, dass es keine Kinder geben wird. Nicht immer ist diese Diagnose endgültig, dennoch ist sie keine Seltenheit. Die Fähigkeit, Pläne ggf. zu verwerfen und neu zu schmieden, ist bei jedem Menschen anders ausgeprägt. Manche Paare bestehen solch eine Bewährungsprobe, andere entschließen sich, ihrem Leben eine andere Wendung zu geben. Es lohnt sich aber in jedem Fall, die verschiedenen Beratungsangebote anzunehmen und zu prüfen, welche Alternativen es gibt.
Schließlich sind die Möglichkeiten der Familiengründung vielfältig und Paare, die eine schwere Krise überstanden haben, bringen Lebenserfahrung und Stabilität mit, einem Kind ein liebevolles Umfeld zu bieten. In allen Phasen der Krebserkrankung gibt es hilfreiche Unterstützung. Die Betroffenen finden bei den zuständigen Stellen nicht nur Ratgeber, sondern auch geschulte Zuhörer, die oft persönliche Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt haben. Ein solcher Austausch kann Klarheit über die eigenen Ziele bringen und damit allen helfen, dem Leben eine neue Richtung zu geben.
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