Fast zehn Prozent der deutschen Bevölkerung sind als schwerbehindert registriert. Diese Menschen haben durch ihre Behinderung einen erschwerten Alltag und somit einen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich durch den Staat. Dazu zählen beispielsweise Steuervergünstigungen, gesonderte Parkplätze oder ein Kündigungsschutz.
Der Ausgleichsanspruch bemisst sich am Grad der Behinderung (GdB) sowie an dem Merkzeichen des Schwerbehindertenausweises. Wie beantrage ich einen Schwerbehindertenausweis? Wie wird der Grad meiner Behinderung festgestellt und wo finde ich Hilfe?
Schwerbehinderung – Zahlen und Fakten
Wer mit einer schweren Behinderung lebt, ist nicht allein. Zum Jahresende 2021 zählte das Statistische Bundesamt in Deutschland rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. Das sind 9,4% der Gesamtbevölkerung. Unter den Schwerbehinderten waren Männer mit 50,3%, Frauen mit 49,7% vertreten.
Den größten Teil der Schwerbehinderten macht die ältere Bevölkerung aus. Fast die Hälfte, mit 45% oder 3,5 Millionen, sind zwischen 55 und 74 Jahre alt. Ein weiteres Drittel, mit 34% beziehungsweise 2,6 Millionen, ist älter als 74. Schwere Behinderungen sind seltener von Geburt an oder im Kindesalter bereits vorhanden. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren halten nur einen Anteil von 3%.
Das zeigt auch das Verhältnis, wie es zu schweren Behinderungen kommt. In 90% der Fälle werden schwere Behinderungen durch eine Krankheit verursacht. Wesentlich geringer fällt die Rate der angeborenen oder der durch Unfall oder Berufskrankheit ausgelösten schweren Behinderung mit 3% und 1% aus.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Im August 2006 hat die Bundesregierung zur Stärkung der Gleichberechtigung aller Menschen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beschlossen. Benachteiligungen jeder Art sollen so in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sowie im Beruf verhindert werden. Dies schließt beispielsweise Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, des Alters, der Religion oder einer Behinderung ein.
So heißt es hinsichtlich der Diskriminierung im Gesetzestext:
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Zudem wurde im Gesetzestext auch ein Paragraf aufgenommen, der alle benachteiligenden Behandlungen von Menschen mit Behinderung offiziell verbietet. Den gesamten Gesetzestext des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) finden Sie auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle.
Grad der Behinderung
Mit dem Grad der Behinderung (GdB) wird die Schwere der Behinderung bei Menschen mit Behinderungen festgelegt. Dieser Grad beschreibt also den Umfang der Auswirkungen auf Körper, Geist, Seele und soziales Umfeld, den eine gesundheitliche Funktionsbeeinträchtigung mit sich bringt. Das Versorgungsamt stellt den Grad der Behinderung fest. Alternativ kann auch das Amt für Soziale Angelegenheiten (Amt für Soziales und Versorgung) diese Feststellung durchführen. In Zehnerschritten gestaffelt, variiert der GdB zwischen den Werten 20 bis 100.
Wie wird der GdB festgelegt?
Ärztliche Gutachter bemessen den Grad der Behinderung nach einer Beantragung. Im Falle mehrerer Beeinträchtigungen aus verschiedenen Behinderungen und ihren Auswirkungen, ermitteln die Gutachter den Gesamt-GdB. Beim Gesamt-GdB ist die Auswirkung der Beeinträchtigungen zueinander und untereinander entscheidend. Eine einzelne Beurteilung jeder Beeinträchtigung und ihrer Wertung findet also nicht statt. Die Funktionen und ihre Beeinträchtigungen werden im Zusammenspiel und insgesamt betrachtet.
Auch wenn der GdB einmal festgestellt wurde, kann er sich in einigen Fällen im Laufe des Lebens ändern. Gesundheitliche Veränderungen, die zu einer Verschlimmerung oder auch Verbesserung der Beeinträchtigung führen, können den Grad der Behinderung beeinflussen. In diesen Fällen muss der Grad der Behinderung neu überprüft und festgestellt werden. Für eine neue Beurteilung des GdB ist auch ein Antrag auf Neufeststellung notwendig. Auch ein medizinisches Gutachten wird benötigt.
Nachteilsausgleiche
Warum ist die Feststellung des Grad der Behinderung so wichtig? Als Mensch mit Behinderung haben Sie Anspruch auf bestimmte Nachteilsausgleiche. Je nachdem, wie schwerwiegend die Beeinträchtigungen und damit auch die Auswirkungen auf Ihren Alltag sind, desto höher der Anspruch auf diese Nachteilsausgleiche. Dabei spielt einerseits die Art der Behinderung eine Rolle, aber auch der Grad der Behinderung ist für die Inanspruchnahme von Bedeutung.
Menschen mit einem GdB von 50 werden im Job beispielsweise durch besondere Regeln vor Kündigungen geschützt. Auch mit einem GdB von 30 und höher kann unter gewissen Umständen eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen stattfinden, sodass auch hier schon Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht.
Darüber hinaus bestimmt die Höhe des GdB die steuerlichen Freibeträge. Der Sozialverband VdK Deutschland berät Menschen mit Behinderungen zu Themen wie Nachteilsausgleich und möglichen Ansprüchen.
Unterschied Grad der Behinderung und Grad der Schädigungsfolgen
Das Kürzel GdS steht für Grad der Schädigungsfolgen. Dabei berücksichtigt dieser Grad im Rahmen des Sozialen Entschädigungsrechts in seinen wichtigsten Punkten die Kriegsopferversorgung und Opferentschädigung. Diese Verwendung basiert auf der Rechtsgrundlage des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Während GdB und GdS in beiden Fällen an den Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, gilt bei dem GdS als Unterschied die Ursache der Beeinträchtigung. Beim GdB wird hingegen jede Behinderung berücksichtigt, auch ohne Betrachtung der Ursache.
Dies äußert sich beispielsweise wie folgt: Ein Junge wird beim Spielen auf der Straße von einem Auto angefahren, was eine körperliche Behinderung zur Folge hat. Im Erwachsenenalter entwickelt sich bei ihm Krebs, was die Auswirkungen seiner durch den Unfall entstandenen Behinderung verstärkt. Im Falle des GdS werden nur die Folgen des Unfalls berücksichtigt. Der GdB zählt sowohl die Behinderung durch Unfall als auch die Auswirkungen der neuen Erkrankung im Zusammenspiel dazu.
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Schwerbehinderung und Schwerbehindertenausweis
Wenn der Grad der Behinderung von 50 oder höher festgestellt wird, gilt dies als Schwerbehinderung. Ab diesem Grad kann ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden. Die Begründung für GdB 50 oder höher kann verschiedenen Ursachen aufgrund von Krankheit oder Einschränkung zugrunde liegen.
Der GdB 50 ist nicht so selten, wie vielleicht vermutet. Laut dem Statistischen Bundesamt ist bei einem guten Drittel der Schwerbehinderten ein GdB 50 festgestellt worden. Mit weiteren 22% zeigt ein Fünftel der schwerbehinderten Menschen den höchsten Grad der Behinderung, den GdB 100, auf.
Wenn der GdB aufgrund einer Neubewertung herabgesetzt wird, kann dies auch den Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft mit sich bringen. Fällt der GdB unter 50, gehen auch Vorteile wie der Nachteilsausgleich und andere Aspekte verloren. Eine Neueinstufung für den Grad der Behinderung sollte also, gerade für schwerbehinderte Menschen, gut überlegt sein.
Der Schwerbehindertenausweis
Ein Schwerbehindertenausweis, oder früher auch Schwerbeschädigtenausweis genannt, dient als deutschlandweit einheitlicher Nachweis über den Status als schwerbehinderte Person. Zudem gibt der Ausweis Auskunft über die Schwere und Art der Behinderung. Doch wozu braucht man den Ausweis eigentlich? Und wer hat Anspruch darauf?
Schwerbehindertenausweis beantragen
Um einen Schwerbehindertenausweis zu bekommen, muss vorab ein Antrag auf die Feststellung des Behinderungsgrades gestellt werden. Der Antrag wird dann vom örtlichen Versorgungsamt oder je nach Bundesland vom Bürgeramt geprüft. Die jeweilige Adresse der zuständigen Behörde können Sie bei der Stadt oder Gemeinde erfragen.
Jedes Bundesland bietet eigene Vordrucke zur Feststellung der Behinderung an, die Sie im Internet herunterladen können. In dem Antragsformular müssen Sie Angaben zur Person, Behinderung, Erkrankung und den ärztlichen Behandlungen machen.
Wird nach der Antragsprüfung ein Behinderungsgrad von 50 oder mehr festgestellt, erhält der Antragssteller einen Schwerbehindertenausweis. Bei Ablehnung gibt es die Möglichkeit einen Widerspruch einzulegen.
Schwerbehindertenausweis Kennzeichen
Der Schwerbehindertenausweis selbst wird ähnlich dem Personalausweis im Scheckkartenformat ausgehändigt. Er beschreibt neben dem Grad der Behinderung (GdB) auch besondere Merkzeichen, die mit der Art der Behinderung zu tun haben. Im Folgenden erklären wir Ihnen alle Abkürzungen, die auf dem Ausweis ausgewiesen werden können.
Merk– zeichen |
Beschreibung |
---|---|
G | Bewegungsfähig– keit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt |
aG | außergewöhnliche Gehbehinderung |
H | Hilflos |
Bl | Blind |
Gl | Gehörlos |
B | Berechtigt zur Mitnahme einer Begleit– person |
RF | Rundfunk– beitrags– ermäßigung und Telefongebühren– ermäßigung möglich |
1. Kl | Berechtigt zur Nutzung der ersten Klasse der Deutschen Bahn mit Fahrkarte für die zweite Klasse (nur bei Versorgungs– empfängern nach Bundes– versorgungsgesetz oder Bundesent– schädigungsgesetz) |
TBl | taubblind |
Ist eine Geh- oder Sehbehinderung festgestellt worden, kommt neben dem üblichen grünen Ausweishintergrund ein orangefarbener Flächenaufdruck hinzu. Mit dieser Zusatzfarbe wird dem Ausweisträger eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr ermöglicht. Informieren Sie sich zur Fahrkartenbeantragung bei den zentralen Informationsstellen des öffentlichen Nahverkehrs.
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