Eine Schwerbehinderung hat nicht nur Auswirkungen auf die körperliche und mentale Verfassung der Betroffen. Auch der Berufsalltag ist mit einer schweren Behinderung schwierig zu meistern.
Mitarbeitende mit schweren Behinderungen bringen in vielen Fällen besondere Bedürfnisse, auch am Arbeitsplatz, mit. Ist ein Arbeitsplatz auf diese Bedürfnisse nicht ausgelegt, müssen Unternehmen diesen Nachteil beheben. Für diesen Ausgleich der Nachteile gibt der Gesetzgeber einige Rechte vor, die für die besonderen Bedürfnisse von schwerbehinderten Arbeitnehmern ausgelegt sind. Dies beinhaltet besonderen Schutz angefangen bei der Bewerbung bis hin zur Kündigung.
Gesetzliche Grundlagen bei Schwerbehinderung und Berufstätigkeit
Neben dem Schutz bei Bewerbungen und Kündigung steht Schwerbehinderten im Arbeitsverhältnis auch ein gesonderter Status für Urlaubstage und technische Ausstattung am Arbeitsplatz zu. Diese besonderen Rechte gehen aus dem Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) hervor. Dies besagt, dass niemand aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden darf.
Zusätzlich wird diese Regelung für Arbeitnehmer auch in § 164 Abs. 2 SGB IX definiert. Hier steht noch einmal explizit, dass Arbeitgeber schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht aufgrund der bestehenden Behinderung benachteiligen dürfen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zeigt auf, was als Benachteiligung gewertet wird. In diesem Falle beinhaltet es die genannten Benachteiligungen bei Bewerbung, Einstellung, innerhalb der Zusammenarbeit während des Arbeitsverhältnisses und zuletzt bei der Kündigung.
Die Paragrafen § 151 – 175 SGB IX beschreiben darüber hinaus weitere Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer. In diesen Absätzen wird unteranderem die Pflicht der Arbeitgeber geregelt, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.
Arbeitsplatz und Gleichgestellte
Erst ab einem Grad der Behinderung von 50 oder höher, wird der Schwerbehindertenausweis und damit auch die Rechte für Schwerbehinderte gültig. Allerdings gibt es die Möglichkeit für behinderte Menschen mit dem Grad der Behinderung von 30 bis 50 einen Antrag auf Gleichstellung zu stellen. In diesem Fall sind sie beispielsweise im Arbeitsumfeld mit den Bedürfnissen der Schwerbehinderten „gleichgestellt“ und erhalten ebenfalls besonderen Schutz, wie den in § 168 SGB IX genannten Kündigungsschutz.
Sie wollen den Antrag auf Gleichstellung einreichen? Folgende Voraussetzungen müssen für die Gleichstellung erfüllt werden:
- Sie halten sich regelmäßig in Deutschland auf oder haben einen regelmäßigen Wohnort in Deutschland.
- Ohne die Gleichstellung ist es Ihnen aufgrund Ihrer Behinderung nicht möglich, einen passenden Arbeitsplatz zu bekommen oder zu behalten.
- Die Agentur für Arbeit muss die Gleichstellung letztlich aussprechen.
Bewerbung und Einstellung mit Schwerbehinderung
Unter bestimmten Voraussetzungen sind Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Arbeitnehmer einzustellen. Diese Regelung beschreibt sich in § 154 Abs. 1 SGB IX. Laut diesem Gesetz steht bei mehr als 20 regelmäßigen Arbeitsplätzen der Arbeitgeber in der Pflicht, mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze an Menschen mit Schwerbehinderung zu vergeben. Bei einer Größe von mindestens 20, aber weniger als 40 Arbeitsplätzen verpflichtet dieses Gesetz den Arbeitgeber zu der Beschäftigung von mindestens einer Person mit Schwerbehinderung.
Auch, wenn die betrieblichen Strukturen nicht für die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung ausgelegt sind, bleibt diese Pflichtquote bestehen.
Allerdings bedeutet diese Regelung nicht, dass Schwerbehinderte automatisch Anspruch auf Einstellung haben. Arbeitgeber können dieser Regelung zur Beschäftigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern bis zu einem gewissen Grad ausweichen, indem sie eine Strafe für jeden unbesetzten Platz zahlen. Einen absoluten Freifahrtschein stellt diese Ausgleichzahlung allerdings nicht dar. Die Pflicht, schwerbehinderte Arbeitnehmer zu beschäftigen, bleibt grundsätzlich dennoch bestehen.
Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch
Ungünstige Umstände müssen in keinem Rahmen von Bewerbern im Bewerbungsverlauf mitgeteilt werden. Dazu gehört auch eine Behinderung oder Schwerbehinderung. Spricht der Arbeitgeber den Bewerber direkt auf eine mögliche Behinderung oder Schwerbehinderung an, muss dieser nicht wahrheitsgemäß antworten. Er darf also offiziell „lügen“.
Diese Offenlegung wird auch in den ersten sechs Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht notwendig. Dem Arbeitgeber ist es erst nach diesen sechs Monaten gestattet, nach dem Status zu fragen – vor allem im Rahmen eines möglichen Kündigungsverfahrens ist dies für den Arbeitgeber wichtig zu wissen. Die Frage kann also nach einer gewissen Zeit vom Arbeitgeber gestellt werden. Eine unaufgeforderte Offenlegung seitens des Arbeitnehmers ist jedoch zu keinem Zeitpunkt verpflichtend.
Offenlegung Schwerbehinderung beim Arbeitgeber
Die Ausnahme zu dieser Regel besteht im Bewerbungsgespräch allerdings, wenn die Behinderung auch die Durchführung der geforderten Aufgaben erschwert oder gar ganz unmöglich macht. In diesem Fall müssen behinderte und schwerbehinderte Bewerber diese Einschränkungen dem Arbeitgeber über offenlegen.
In einigen Fällen wird die Einstellung von Schwerbehinderten gezielt auf Seite der Unternehmen gefördert. Wenn die Frage nach der Behinderung dann gestellt wird, ist sie einerseits zulässig, andererseits sogar ein Vorteil für die schwerbehinderten Kandidaten. Dies kann durch die konkrete Frage der Absicht im Gespräch erläutert werden und für behinderte und schwerbehinderte Bewerber positiv auswirken.
Schwerbehindertenrechte im Beruf
Neben dem besonderen Schutz, der Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung zuteilwird, gelten auch weitere Rechte für Menschen mit Schwerbehinderung im Beruf. Diese sollen zusätzlich die Verwundbarkeit dieser Arbeitnehmergruppe berücksichtigen und auf die besonderen Bedürfnisse eingehen.
Zusatzurlaub für Schwerbehinderte
Als schwerbehinderter Arbeitnehmer haben Sie Anspruch auf fünf bezahlte Tage Zusatzurlaub jährlich. Dies wird von § 208 SGB IX festgelegt. Die Nutzung wird allerdings nur anteilig gewährt, wenn sie weniger Tage in der Woche arbeiten. Dieser Zusatzurlaub steht ausschließlich schwerbehinderten Arbeitnehmern zu – in diesem Fall greift gemäß § 151 Abs. 3 SGB IX auch die Gleichstellung von Menschen mit Grad der Behinderung 30 bis 50 nicht.
Weiterbildung für Schwerbehinderte
Bei Anstellung von schwerbehinderten Arbeitnehmern müssen Arbeitgeber dafür sorgen, dass ihre Fähigkeiten und Kenntnisse optimal genutzt werden können. Dazu gehört auch die Weiterentwicklung im Rahmen von betrieblichen und außerbetrieblichen Weiterbildungs– und Berufsbildungsmaßnahmen. In diesen Fällen sind schwerbehinderte Angestellte sogar besonders zu berücksichtigen. Eine Unterforderung oder Überforderung gilt es zu vermeiden.
Angemessener Arbeitsplatz bei Schwerbehinderung
Der Arbeitsplatz muss behindertengerecht gestaltet sein. Sind beispielsweise technische Hilfen erforderlich, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass solche bereitstehen. Für die Bereitstellung steht Unternehmen auch eine staatliche Bezuschussung zur Verfügung. Auch die Organisation und Zeiteinteilung müssen mit Rücksicht auf den schwerbehinderten Arbeitnehmer besonders geregelt werden. Verschlimmert sich die Einschränkung des Arbeitnehmers im Laufe der Zeit, mit Einfluss auf Leistung und Aufnahmefähigkeit, so steht ihm ein Schonarbeitsplatz zu.
Befreiung von Mehrarbeit für Schwerbehinderte
Auf eigenen Wunsch hin sind schwerbehinderte Menschen gemäß SG§ 207B IX von Mehrarbeit freizustellen. Das beinhaltet alles, was über die gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden täglich hinausgeht. Bei einer vereinbarten kürzeren täglichen Arbeitszeit ist es allerdings möglich, dass Arbeitgeber Überstunden verlangen, die diese Arbeitszeit auf bis zu acht Stunden am Tag ausreizen.
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Schwerbehinderung und Kündigung
Arbeitgeber können aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes schwerbehinderten Arbeitnehmern nicht einfach so kündigen. Es bedarf der Zustimmung des Integrationsamtes. So soll eine weitere mögliche Benachteiligung verhindert werden. Das Integrationsamt ist auch dafür zuständig, im Falle einer angestrebten Kündigung zunächst professionelle Hilfe mit dem Ziel, den Arbeitsplatz zu erhalten, anzubieten. Dazu gehören auch technische Beratung, finanzielle Leistungen und Unterstützung am Arbeitsplatz.
Das Hinzuziehen des Integrationsamtes für eine Kündigung bei schwerbehinderten Arbeitnehmern ist erst nach den ersten sechs Monaten des Beschäftigungsverhältnisses notwendig.
Ablauf einer Kündigung bei Schwerbehinderung
Um eine Kündigung eines schwerbehinderten Angestellten zu erwirken, bedarf es einer bestimmten Vorgehensweise. Zunächst meldet der Arbeitgeber die Kündigungsabsicht. Dies kann eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung sein. Auch eine Beendigungs- oder Änderungskündigung ist hiervon betroffen. Weitere Beteiligte, wie die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat oder die Mitarbeitervertretung müssen frühzeitig vom Arbeitgeber über die geplante Kündigung informiert werden.
Im Anschluss stellt der Arbeitgeber beim Integrationsamt den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung. Dieser Antrag muss schriftlich, vor Ausspruch der Kündigung, vorliegen. Danach wird der vorliegende Sachverhalt vom Integrationsamt ermittelt. Das Integrationsamt sucht das Gespräch mit dem schwerbehinderten Arbeitnehmer. Auch die genannten Beteiligten des Unternehmens werden zum Gespräch gebeten. Es kann vorkommen, dass ein gemeinsames Gespräch mit allen Beteiligten angedacht wird, um eine Klärung und gütliche Einigung erzielen zu können. Dies ist das oberste Ziel des Integrationsamts.
Die Entscheidung über den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung, der vom Arbeitgeber vorliegt, trägt ebenfalls das Integrationsamt. Die Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt wird oder nicht, wird dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Arbeitnehmer nach der Evaluation mitgeteilt. Stimmt das Integrationsamt der Kündigung zu, hat der Arbeitgeber einen Monat ab Zustellung der Kündigung Zeit, diese dem Arbeitnehmer gegenüber offiziell auszusprechen. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung muss dies sogar sofort geschehen.
Versagen der Kündigung
Sollte die Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt nicht erfolgen, können Arbeitgeber gegen diese Entscheidung Widerspruch beim Integrationsamt einlegen. Als letzten Schritt, wenn auch der Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurückweist, bleibt nur eine Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht.
Kündigung ohne Zustimmung
Besteht das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate beim Ausspruch der Kündigung, braucht es keine Zustimmung des Integrationsamtes. Auch eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses in Form eines Aufhebungsvertrags ist ohne Integrationsamt möglich. Weitere Möglichkeiten sind das Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags oder die eigenständige Kündigung durch den schwerbehinderten Angestellten.
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