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Seltene Krankheiten – An wen kann ich mich wenden?

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Sie werden als „Waisen der Medizin“ bezeichnet – denn sie sind oft alleine mit ihrem Problem. Rund 4 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer seltenen Krankheit. Für sie ist das Leben besonders schwer. Denn nicht nur die Krankheit selbst beeinträchtigt den Alltag, sondern es fehlt in den meisten Fällen auch eine umfangreiche medizinische Erforschung der Krankheit. Die Folgen: langwierige Diagnoseverfahren, wenige Behandlungsmöglichkeiten und fehlender Austausch mit anderen Patienten. In unserem Beitrag erfahren Betroffene und deren Angehörige, wo sie sich über seltene Krankheiten informieren können und welche Anlaufstellen es für sie gibt.

Was ist eine seltene Krankheit?

Eine Krankheit wird in der Europäischen Union als selten definiert, wenn weniger als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Mehr als 6.000 solcher seltenen Krankheiten sind weltweit bekannt. In Deutschland leiden laut Schätzungen rund 4 Millionen Menschen an einer seltenen Krankheit. In der gesamten EU gehen Statistiker von mehr als 30 Millionen Menschen aus. Die meisten davon sind Kinder. Denn mehr als 70 Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetisch oder zumindest teilweise genetisch bedingt. Eine Heilung gelingt deshalb nur in seltenen Fällen.

Die Problematik besteht vor allem in der Heterogenität der Erkrankungen. Das heißt: Es gibt zwar insgesamt viele Menschen, die an einer seltenen Krankheit leiden, die Krankheitsbilder selbst sind jedoch sehr unterschiedlich. Begleitet werden seltene Krankheiten meist von einem komplexen Zusammenspiel an Symptomen, die eine Diagnose seitens der Mediziner erschweren. Gemein ist allen seltenen Krankheiten jedoch, dass sie in den meisten Fällen chronisch verlaufen, vor allem bei Kindern diagnostiziert werden und die Lebenserwartung der Betroffenen mindern.

Wieso ist die Diagnose von seltenen Krankheiten problematisch?

In den meisten Fällen dauert die Diagnose bei Betroffenen einer seltenen Erkrankung sehr lange. Ein Marathon von Arzt zu Arzt beginnt. Zahlreiche Untersuchungen müssen Patienten über sich ergehen lassen. Und keiner kann genau sagen, was dem Patienten tatsächlich fehlt. Hilflosigkeit und das Gefühl alleine gelassen zu werden sind die Folge. Das Problem bei der Abgabe einer Diagnose liegt dabei in der Seltenheit der Krankheit. Die ist nämlich nicht nur für Betroffene, sondern auch für Mediziner eine Herausforderung. Seltene Krankheiten weisen daher einige Besonderheiten auf:

  • Komplexe Krankheitsbilder
    Die fehlende Diagnosestellung ist vor allem auch mit den undurchsichtigen Krankheitsbildern seltener Krankheiten verbunden. So ähneln zwar viele Symptome bekannten Krankheiten, ergeben für Ärzte in der Kombination aber keinen Sinn. Es bedarf daher Anlaufstellen für Ärzte und mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit.
  • Kaum Forschung
    Aufgrund der geringen Anzahl an Patienten, können nur schwer Studien durchgeführt werden. Um eine verlässliche Forschungsbasis zu erreichen bedarf es also vieler Menschen, was der Eigenheit von seltenen Krankheiten widerspricht. Zusätzlich ist es für Pharmaunternehmen nicht wirtschaftlich Medikamente oder Therapien zu entwickeln, die nur wenige Menschen betreffen.
  • Überregionale Verbreitung der Patienten
    Die wenigen Forschungen zu seltenen Krankheiten lassen sich durch die überregionale Verbreitung der Patienten erklären. Denn natürlich wohnen Betroffene nicht unbedingt nah aneinander, was die Versammlung von Probanden an einem Ort erschwert.
  • Wenig medizinische Experten
    Die medizinische Versorgung von Patienten einer seltenen Krankheit sicherzustellen ist schwierig. Denn es gibt für die einzelnen seltenen Krankheiten meist nur wenig medizinische Experten, die zudem räumlich verteilt sind. Einen speziellen Arzt zu finden ist daher nicht einfach.

Welche Anlaufstellen gibt es für Betroffene seltener Krankheiten?

Nicht nur die Diagnostik ist mit den Problemen seltener Krankheiten konfrontiert. Angehörige und Betroffene von seltenen Krankheiten benötigen neben einer medizinischen Versorgung nämlich auch Anlaufstellen, die zum Austausch mit anderen Patienten anregen. Zwar gibt es mittlerweile einige solcher Stellen, oft sind die Wege dorthin jedoch nicht klar ersichtlich. Deshalb haben wir Ihnen ein paar dieser Anlaufstellen herausgesucht:

  • NAMSE (Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Krankheiten)
    Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Krankheiten wurde 2010 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem ACHSE e.V. begründet. Damit reagierte die Bundesregierung auf eine Empfehlung des Rates der Europäischen Union und schuf eine zentrale Maßnahmenstelle für Menschen mit seltenen Krankheiten. Insgesamt 52 Maßnahmenvorschläge wurden von den 28 aufgenommen Bündnispartner (Spitzen- und Dachverbände aus dem Gesundheitswesen) im Rahmen des NAMSE Projektes erarbeitet. Aus diesen wurde ein Aktionsplan entwickelt, der von den Bündnispartnern umgesetzt wird. Das NAMSE zählt damit zu einem wesentlichen Koordinationszentrum im Bereich der Seltenen Krankheiten mit dem Ziel, eine bessere Patientenversorgung zu gewährleisten. Deshalb schafft NAMSE vor allem Plattformen, bei denen sich Patienten und Ärzte besser informieren können, und baut medizinische Zentren aus. Auch die Erforschung seltener Krankheiten wird von dem Aktionsbündnis gefördert. Mehr Informationen zu NAMSE erhalten Sie auf der Homepage des Projektes oder beim Bundesministerium für Gesundheit.
  • ZSE (Zentrum für seltene Krankheiten)
    Seit 2009 haben mehrere Universitätskliniken in Deutschland so genannte Zentren für seltene Krankheiten (ZSE) eingerichtet. Mehr als 35 solcher Zentren gibt es mittlerweile in Deutschland. Und stetig werden es mehr. Das Ziel: eine flächendeckende Versorgung von Betroffenen mit seltenen Krankheiten. Daneben bieten die Zentren auch Anlaufstellen für Mediziner, die sich interdisziplinär austauschen können. Die Profile und Schwerpunkte der Zentren sind unterschiedlich, was eine umfangreiche Versorgung von Betroffenen aller seltenen Krankheiten gewährleisten soll. Derzeit arbeitet das Forscherbündnis Research for Care, die sich auch mit dem Aufbau der Zentren beschäftigen, im Rahmen des NAMSE-Prozesses an einer Zertifizierung der Häuser. Diese soll es ermöglichen auch andere Zentren auszuweisen und für Patienten sichtbar zu machen. Eine Auflistung aller derzeitigen Zentren in Deutschland finden Sie auf der Webseite des Forschungsbündnisses Research for Care.

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  • ACHSE (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen)
    Das Netzwerk ACHSE vertritt seit 2004 die Interessen von Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen und deren Angehörigen in Deutschland. Dafür hat das Netzwerk sich mit mehr als 130 Patientenorganisationen aus dem Bereich Politik, Gesellschaft, Medizin, Wissenschaft und Forschung auf nationaler und europäischer Ebene zusammengeschlossen. Betroffene und ratsuchende Ärzte können sich dort unabhängig von der Krankheit kostenlos beraten lassen. Zudem werden Patienten, die ihre Diagnose kennen, an Experten vermittelt. Die zugehörige Plattform bietet auch die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Zumal es nicht zu jeder seltenen Krankheit einen passenden Verein gibt. Genauere Informationen erhalten Sie auf der Homepage von ACHSE.
  • SE-Atlas
    Der SE-Atlas ist eine interaktive Karte, die im Rahmen des NAMSE-Prozesses eingeführt wurde und Versorgungseinrichtungen für Menschen mit seltenen Erkrankungen aufzeigt. Zu den dort aufgelisteten Einrichtungen zählen sowohl die Zentren für Seltene Erkrankungen als auch Selbsthilfeorganisationen, oder Praxen medizinischer Experten. Betroffene können ihre Diagnose in das Suchfeld eingeben und erhalten alle relevanten Anlaufstellen und einen Überblick zur medizinischen Versorgungsmöglichkeit. Der Überblick ist aber auch für einen interdisziplinären Austausch von Ärzten oder medizinischem Personal relevant. Als Datenbasis werden die im SE-Atlas gelisteten Organisationen verwendet. Experten, Selbsthilfegruppen oder andere Einrichtungen, die sich mit seltenen Krankheiten auseinandersetzen, können sich im Altas eintragen lassen. Damit stellen die Vereine sicher, dass Betroffene sie transparent und überregional finden. Mehr zum SE-Atlas und zur Eintragung finden Sie auf www.se-atlas.de.
  • Orphanet
    Damit die auf der ganzen Welt verstreuten Patienten und Mediziner mehr über die unterschiedlichen Krankheiten erfahren können, werden sie in der Online-Datenbank Orphanet zusammengetragen. Neben Themenartikel finden Betroffene und Mediziner hier Informationen zu Laboren, Experten und Arzneimitteln seltener Krankheiten. Damit bietet Orphanet vor allem eine Wissensquelle, die Erkenntnisse über seltene Krankheiten erweitert. Ziel ist es, Diagnosen und Behandlungen von Patienten zu verbessern. Wichtig: Jede Interessensgruppe hat zu dem medizinisch ausgerichteten Portal Zugang. Damit können sich vor allem Betroffene und Angehörige über eine seltene Krankheit aus medizinischer Sicht informieren. Mehr dazu erfahren Sie auf der Seite www.orpha.net.

Mit seltener Krankheit nicht allein bleiben

Betroffene von seltenen Krankheiten und deren Angehörige verdienen sowohl in der Medizin als auch in der Öffentlichkeit Beachtung, genauso wie Patienten mit häufigen Erkrankungen. Die Initiativen und Anlaufstellen sowie das NAMSE Projekt sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dennoch muss auch seitens der Regierung noch viel getan werden. Betroffene sollten sich nicht im Gefühl der Einsamkeit verlieren und zurückziehen, sondern sich aktiv bei den bisher vorhandenen Stellen Hilfe holen.

Auch Personen, die nicht von einer seltenen Krankheit betroffen sind, können dafür einen Beitrag leisten. Zahlreiche Verbände suchen ehrenamtliche Mitarbeiter oder rufen regelmäßig zu Spendenaktionen für Patienten mit seltenen Krankheiten auf. Unterstützen Sie die Initiativen und helfen Sie so den zahlreichen „Waisen der Medizin.“

Titelbild: © andrei_r / iStock.com

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