Der Umgang mit einem ängstlichen Hund ist auch für erfahrene Hundefreunde eine Herausforderung. Was auf den ersten Blick als hilfreicher Rat erscheint, kann sich später zu einem echten Angstverstärker entwickeln. Deshalb brauchen die Halter ängstlicher Hunde bewährte Tipps für mehr Sicherheit im Alltag.
Wann ist ein Hund ängstlich?
Unsicherheiten kommen bei fast jedem Hund einmal vor. Ein unbekanntes Geräusch, beim Gassigehen fährt ein Radfahrer vorbei oder das Tier gerät in eine unbekannte Situation, der es sich nicht gewachsen fühlt. Der Hund klemmt die Rute ein und ergreift die Flucht. All das führt allein noch nicht zu einem Problem. Erst, wenn der Hund aus der Unsicherheit nicht mehr herauskommt oder immer wieder hineingerät, braucht er Hilfe. Beobachten Sie Ihren Hund deshalb sorgfältig, wann immer Sie eine Verhaltensänderung bemerken. Achten Sie darauf, dass Sie als Bezugsperson in Ihrem Verhalten für Ihren Hund immer kalkulierbar bleiben. So vermitteln Sie ihm Stabilität und das sichere Gefühl, dass er sich auf Sie verlassen kann.
Wenn Ihr Hund schon mit Ängsten bei Ihnen eingezogen ist, geben Sie ihm Zeit! Vor allem schwer traumatisierte Hunde brauchen lange, bis sie im neuen Umfeld ankommen. Je nach Ursache müssen Sie damit rechnen, dass manche Ängste ein Leben lang bleiben.
Erste Hilfe bei Angst
Erschreckt sich Ihr Hund, gehen Sie so schnell wie möglich wieder zur Tagesordnung über. Sucht Ihr Hund bei Ihnen Schutz, geben Sie ihm das Gefühl, dass er sich sicher fühlen kann. Bedauern Sie ihn nicht, aber stellen Sie sich zwischen ihn und den Angstauslöser. Dabei ist es unerheblich, ob die Gefahr real ist oder den Hund nur an eine Gefahr erinnert. Für ihn ist sie echt. Seine Angst ist es auch.
Manche Hunde lassen sich auch aus einer Stresssituation zum Spiel auffordern, andere wollen auf den Arm oder gestreichelt werden. Sorgen Sie dafür, dass der Hund das bekommt, was ihm aus der Angst hilft. Haben Sie Geduld, es kann dauern, bis Sie den Schlüssel zu Ihrem Hund finden. Geben Sie nicht auf und suchen Sie nicht die Schuld beim Hund. Bleiben Sie ruhig und probieren Sie es wieder. Zwingen Sie einen Hund aber niemals in eine Situation, die ihn ängstigt. Für einen Hund ist das ein grober Vertrauensbruch.
Wovor hat der Hund Angst?
Nehmen Sie sich Zeit herauszufinden, wovor Ihr Hund Angst hat. Je weniger Sie den Hund kennen, desto länger kann es dauern. Reduzieren Sie den Alltag auf die Dinge, von denen Sie sicher sein können, dass der Hund damit zurechtkommt. Reduzieren Sie zusätzliche die Eindrücke so weit wie möglich. Angst kann auch die Folge von Überforderung sein. Der Grad zwischen Auslastung und Überforderung ist schmal, ganz besonders bei temperamentvollen Hunden. Seien Sie dann besonders sensibel und bieten Sie dem Hund ausreichend Pausen an.
Berücksichtigen Sie auch, dass ein Hund 18 Stunden Schlaf und Ruhe am Tag braucht. Wenn es in Ihrem Haushalt turbulent zugeht und Ihr Hund ein Energiebündel ist, versuchen Sie, das in Einklang zu bringen. Der Hund muss zur Ruhe kommen können. Andernfalls drohen Verhaltensstörungen, zu denen auch Angst gehören kann. Natürlich gibt es auch Hunde, die aufgrund schlechter Erfahrung Ängste entwickelt haben. Dazu gehören:
- Angst vor einem bestimmten Typ Mensch
- Angst vor Geräuschen
- Angst vor dem Straßenverkehr
- Angst vor dem Alleinsein
- Angst vor bestimmten Gegenständen
Es gibt fast nichts, wovor ein Hund keine Angst entwickeln kann. Je sozial stabiler ein Hund ist, umso besser überwindet er traumatische Erlebnisse.
Angst und Aggression
Angst und Aggression können derart ineinander übergehen, dass kaum gleich zu erkennen ist, ob der Hund Angst hat oder „nur“ aggressiv ist. Hunde, die sehr unsicher sind und in furchteinflößende Situationen gedrängt wurden, können angstaggressiv reagieren. Das ist nicht ungefährlich. Achten Sie darauf, dass der Hund nicht in eine solche Situation gerät, und falls es doch passiert, halten Sie Unbeteiligte und vor allem Kinder fern. Wenn der Hund zur Ruhe gekommen ist, analysieren Sie die Situation und suchen Sie den Grund. Ein angstaggressiver Hund ist mit einer konkreten Situation vollkommen überfordert. Stärken Sie durch ruhige und gemeinsame Aktionen das Vertrauen des Hundes.
Sollte der Hund aggressiv gegen Menschen werden, ziehen Sie einen erfahrenen Hundetrainer hinzu. Wenden Sie keinesfalls Gewalt an. Der Hund muss lernen, Ihnen zu vertrauen. Nur so kann er seine Angst verlieren. Mit Gewalt verstärken Sie sein aggressives Verhalten und ziehen sich einen unkalkulierbaren Hund heran.
Der Angst begegnen
Manchen Dingen können Sie nicht ausweichen. Wenn Ihr Hund Angst vor Männern oder vor Menschen mit einem Regenschirm hat, wird er lernen müssen, die Angst zu überwinden. Setzen Sie sich kein Zeitlimit. Einem Hund die Angst zu nehmen kann lange dauern. Konfrontieren Sie den Hund in kleinen Etappen mit dem Angstauslöser und gehen Sie erst dann einen Schritt weiter, wenn er der Situation gewachsen ist. Rechnen Sie mit Rückfällen. Der Hund hat eine andere Wahrnehmung als Sie und was Sie als gelungene Konfrontation erleben, kann für Ihren Vierbeiner eine mittlere Katastrophe gewesen sein.
Beobachten Sie ihn daher nach der Übung. Ist er ausgelassen? Lässt er sich für ein Spiel begeistern und entspannt sich? Das sind gute Zeichen. Gehen Sie ansonsten im Training lieber zwei Schritte zurück, als dass Sie wieder ganz von vorn anfangen müssen, weil der Hund überfordert ist. Verlieren Sie nicht die Geduld. Sie können sicher sein, dass Ihr Hund Ihnen vertrauen will. Unsicherheiten bereiten ihm Stress. Er braucht Ihre Souveränität und Ihre Ruhe, um sich zu entwickeln. Versuchen Sie nicht, das Tempo der Entwicklung zu beschleunigen, denn das könnte schiefgehen. Der Hund wird Sie wissen lassen, wann er die Kraft für den nächsten Schritt hat. Motivieren Sie dennoch und loben Sie ihn. Beobachten Sie aber immer ganz genau, wie es Ihrem Hund dabei geht.
Lesen Sie auch
Silvesterangst
Viele Tiere haben Angst vor Böllern. Aus diesem Grund bedeutet Silvester für Wild- und Haustiere großen Stress. Lassen Sie auch einen „schussfesten“ Hund Silvester nicht ohne Leine laufen. Die Angst vor Böllern kann auch plötzlich entstehen. Die Folgen sind fatal. Jedes Jahr sind Tierschutzorganisationen in den Tagen nach Silvester damit beschäftigt, entlaufene Hunde zu suchen. Dabei haben sie nicht immer Erfolg. Gehen Sie mit Ihrem Hund an Silvester zu den Zeiten vor die Tür, zu denen es noch möglich ist. Falls Sie mit dem Hund im Auto unterwegs sind, sichern Sie ihn besonders sorgfältig. Rechnen Sie auch in den Tagen nach Silvester noch mit vereinzelten Böllern. Lassen Sie Ihren Hund Silvester nicht allein, wenn er Angst hat. Zwingen Sie ihn nicht vor die Tür.
Panikattacken – darauf müssen Sie achten
Wenn Ihr Hund zu Panikattacken neigt, ist er für gute Worte nicht erreichbar. Versuchen Sie gar nicht erst, ihn zu beruhigen, sondern achten Sie darauf, ihn zu sichern. Bringen Sie ihn möglichst schnell aus der Situation, die er für lebensgefährlich hält. Schaffen Sie sich ein Sicherheitsgeschirr an. Aus normalen Hundegeschirren können sich Hunde in Panik freistrampeln. Dann haben sie schlimmstenfalls einen entlaufenen Hund, der sich nicht greifen lässt und vielleicht einen Unfall verursacht (zur IDEAL Hundehalterhaftpflichtversicherung). Zughalsbänder verstärken die Angst, denn sie ziehen sich zu. Einen panischen Hund, der keine Luft bekommt, können Sie nicht beruhigen. Sicherheitsgeschirre sind die einzigen Geschirre, aus denen ein Hund sich nicht befreien kann. Sie werden immer mit einer doppelten Leine gesichert und verfügen über drei Gurte, die um Brust (1) und Bauch (2) verlaufen und an den Hund angepasst werden. Wenn Ihr Hund im Haus in Panik gerät, schaffen Sie ihm Rückzugsmöglichkeiten. Lassen Sie ihn dort, bis er von allein wieder hervorkommt.
Medikamente für den ängstlichen Hund
Bislang waren Beruhigungsmittel bei der Behandlung von ängstlichen Hunden stark umstritten. Tierärzte und Verhaltensexperten warnen, dass das Medikament den Hund sediert. Das führt dazu, dass der Hund in seiner Reaktionsmöglichkeit eingeschränkt ist, die Angst aber bleibt. Seit kurzer Zeit ist das Medikament Sileo auf dem Markt. Sileo wird nach Körpergewicht dosiert und entspannt den Hund. Seine Reaktionsfähigkeit bleibt voll erhalten. Beobachtungen zeigen, dass Angsthunde schwierige Situationen unter der Wirkung besser verkraften und dabei lernen, dass sie die Situation mit jedem neuen Versuch besser bewältigen können.
Titelbild: © makistock/ stock.adobe.com