Wer Zeuge einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit wird, bekommt bei einer Verhandlung auch einen Zeugenladungsbrief vom Gericht. Die wenigsten wissen allerdings, was als nächstes passiert und wie sie sich dann zu verhalten haben. Was wird von Zeugen vor Gericht erwartet und wie läuft eine Zeugenvernehmung ab?
Warum werde ich als Zeuge geladen?
Als Zeuge wird geladen, wer zu einer bestimmten Situation eine Aussage vor Gericht machen kann. Es zählen bei der Zeugenaussage vor allem die eigene Wahrnehmung der Situation, die beobachtet oder gehört wurde. In den meisten Fällen waren Zeugen während der fraglichen Straftat oder Ordnungswidrigkeit also anwesend.
Außerdem ist für das Gericht wichtig, dass das, was Zeugen mitbekommen haben, auch von Bedeutung für den jeweiligen Fall sein könnte. Um diese Frage zu beantworten, müssen sie während der Verhandlung ihre Sicht der Situation schildern.
Dabei ist es nicht wichtig, was der Hintergrund der Anwesenheit und der Observierung der Situation durch die Zeugen war. Auch Schilderungen anderer Personen können, durch Zeugenaussagen geschildert und bestätigt, von Relevanz sein.
In allen Fällen sollen Zeugen den vorliegenden Sachverhalt aufklären und dadurch zur Wahrheitsfindung beitragen. Durch ihre Hilfe werden Geschehensabläufe rekonstruiert und der Hergang der Straftat oder Ordnungswidrigkeit verdeutlicht.
Was passiert vor Gericht?
Zeugen werden in der Regel für die Hauptverhandlung geladen. Den Personalausweis oder ein anderes gültiges Ausweisdokument (Reisepass) sollten sie daher zum Gerichtstermin mit sich führen.
Bei Beginn der Verhandlung weist der Richter die anwesenden Zeugen auf die Wahrheitspflicht hin. Auch die Konsequenzen bei einer Falschaussage werden hier erklärt. Nach der Belehrung müssen die Zeugen den Gerichtssaal verlassen, denn es folgt die Vernehmung des Angeklagten.
Durch die Abwesenheit der Zeugen wird gewährleistet, dass diese nicht von den Aussagen des Angeklagten beeinflusst werden. So vergewissert sich das Gericht, dass Zeugen nur Aussagen zu ihrer eigenen Wahrnehmung des Tatgeschehens machen können.
Ist die Vernehmung des Angeklagten abgeschlossen, werden die Zeugen nacheinander in den Sitzungssaal gerufen und vernommen. Auch dieser Ablauf dient der Gewährleistung der unabhängigen Aussage, sodass sich Zeugenaussagen nicht gegenseitig beeinflussen.
Wie lange dauert der Tag im Gericht?
Eine Zeugenaussage kann also auch einige Wartezeit mit sich bringen. Eine im Voraus mit wichtigen Utensilien gepackte Tasche hilft dabei, die Wartezeit und den Ablauf bei Gericht angenehmer zu gestalten. Auch grundlegende Dinge wie Lebensmittel und Getränke, Taschentücher und ein Buch zur Ablenkung sowie Kleingeld für den Parkautomat sollten mitgebracht werden.
Der Ablauf des Tages bei Gericht kann sich, je nach Umstand, auch noch vor Ort ändern. Daher sollte genügend Zeit eingeplant werden und wichtige Unterlagen oder Medikamente mitgeführt werden.
Wie läuft die Zeugenvernehmung ab?
Ist die Verhandlung so weit fortgeschritten, dass die Zeugenvernehmung ansteht, werden die Zeugen zunächst auf die bestehende Wahrheitspflicht hingewiesen und der Sachverhalt des vorliegenden Falls kurz aufgeführt. Die vorsitzenden Richter haben im Anschluss der Aufklärung das Fragerecht. Erst danach stellen die weiteren Mitglieder des Gerichts ihre Fragen. Ist der erste Teil der Vernehmung beendet, steht die Befragung durch die Staatsanwaltschaft an. Ganz zum Schluss wenden sich dann die Strafverteidiger an die Zeugen, also die Anwälte der beschuldigten Person.
Eine Befragung durch die unterschiedlichen Parteien kann, je nach Fokus und Absicht der Anwälte und vor allem bei den Strafverteidigern, unangenehm sein. Zeugen sollten sich daher während ihrer Vernehmung bemühen, den Sachverhalt so neutral wie möglich zu betrachten und die Fragen und Anmerkungen der Anwälte nicht persönlich zu interpretieren. Die Antworten und Aussagen müssen von den Beteiligten ausgiebig geprüft und auf die Probe gestellt werden, um die Wahrheit des Sachverhalts sicher ausfindig zu machen. Eine Zeugenvernehmung ist also auch bei schwierigen Fragen nicht als persönlicher Angriff zu werten, sondern eine Art der Wahrheitsfindung durch spezielle Befragungsmethoden, auf beiden Seiten.
Es kann auch vorkommen, dass Angeklagte Fragen an Zeugen stellen. Dies ist aufgrund der fehlenden Neutralität in manchen Fällen schwieriger, als die Fragen des Gerichts und der Anwälte zu beantworten. Wenn keine Befragung durch die beschuldigte Person vorgesehen ist, kann allerdings auch veranlasst werden, dass sie den Raum während der Zeugenbefragung verlässt. Besonders, wenn die Vermutung besteht, dass die psychische Belastung der Zeugen bei Anwesenheit der Angeklagten zu groß ist. Das Gericht wird den Schutz der Zeugen immer mitberücksichtigen, ohne die Angeklagten dabei ihrer Rechte zu berauben. Allerdings werden Angeklagte immer darüber informiert, wer ausgesagt hat, auch wenn sie nicht während der Aussage dabei waren.
Es ist jederzeit möglich, um eine Pause zu bitten. Eine Befragung ist eine stressige Situation und kann langwierig sein. Es ist völlig normal, je nach Durchhaltevermögen eine Pause zu brauchen. In manchen Fällen geht die Vernehmung schnell, teilweise zieht sie sich aber auch über mehrere Stunden. Wenn die Fragen sich stark wiederholen oder trotz bemühter Neutralität beleidigend wirken, können Zeugen das Gericht auch fragen, ob eine bestimmte Frage beantwortet werden muss.
Pflichten als Zeuge
Zeugen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit unterliegen verschiedenen Pflichten, die sie im Strafverfahren einhalten müssen.
Erscheinungspflicht
Diese Erscheinungspflicht gilt nicht nur für das Strafverfahren vor Gericht (§48, 161a Abs. 1 S. 1 StPO), sondern beginnt schon gemäß § 163 Abs. 3 StPO für das Erscheinen vor der Polizei. Sie sind also verpflichtet, bei entsprechender Ladung zu erscheinen. Bei Nichterscheinen können Zeugen auch zwangsweise vorgeführt werden und die durch das Ausbleiben verursachten Kosten werden ihnen auferlegt. Darüber hinaus kann ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000 EUR festgesetzt werden. Können sie dies nicht zahlen, droht Ordnungshaft von bis zu sechs Wochen.
Muss ich erscheinen, wenn eine andere Stelle mich bereits vernommen hat?
Ja, denn das Gericht muss sich ein eigenes Bild von der Aussage der Zeugen machen. Die Erscheinungspflicht gilt also auch, wenn schon einmal vor Gericht, bei der Polizei oder an anderer Stelle eine Aussage gemacht wurde.
Gründe für das Nichterscheinen vor Gericht
Bestehen triftige Gründe für das Nichterscheinen am gerichtlichen Termin, kann eine Ausnahme für die Erscheinungspflicht gelten. Ein triftiger Grund kann beispielsweise eine Erkrankung sein oder aber eine nicht verschiebbare berufliche Verpflichtung. Sollte ein triftiger Grund vorliegen, sind Zeugen verpflichtet, dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen und das bevorstehende Nichterscheinen rechtzeitig zu entschuldigen. In der Regel wird die Vernehmung in solchen Fällen verschoben. Die Ladung, und damit die Erscheinungspflicht, gilt weiter, bis sie aufgehoben wird.
Muss ich meinen vor Monaten geplanten Urlaub für die Verhandlung absagen?
Nein, wer einen Urlaub noch vor dem Strafverfahren und der Vorladung geplant hat, kann das Gericht unter dem mitgeteilten Aktenzeichen über den Urlaub unterrichten. Nachweise wie Flugtickets oder Hotelbuchungen sind dabei von Vorteil. So kann eine Abladung für die Verhandlung beantragt werden. Auch in diesem Fall wird die Vernehmung auf einen neuen Termin verschoben.
Aussagepflicht
Zeugen, die vor Gericht erscheinen, müssen auch aussagen.
Wahrheitspflicht
Wie auch durch die Belehrung zu Beginn der Vernehmung deutlich gemacht wird, besteht grundsätzlich auch laut § 153 ff. StGB die Wahrheitspflicht für die Zeugenaussagen. So beschreibt das Strafgesetzbuch genau:
„Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Personen, die sich falsch erinnern oder einen Sachverhalt oder eine Person verwechselt haben, müssen nicht automatisch eine Strafe fürchten. Doch wird vorausgesetzt, dass sie sich bestmöglich erinnern und die Situationen wiedergeben, wahrheitsgemäß aussagen und offenlegen, wenn sie sich unsicher sind, was sie gesehen oder gehört haben.
Wird ein fahrlässiger Falscheid im Verlaufe des Verfahrens bewusst und rechtzeitig berichtigt, tritt Straflosigkeit ein. Die korrigierten Angaben müssen im Prozess noch verwertet werden können, das Urteil also noch beeinflussen können. Wenn die Gerichtsverhandlung allerdings geschlossen wurde, ist es zu spät. Es droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Wie werden Fahrlässigkeit und Vorsatz unterschieden? Wie ist Fahrlässigkeit im Strafrecht und Zivilrecht definiert?
Eidespflicht
Erachtet das Gericht eine Vereidigung für notwendig, muss der Eid auch vom Zeugen geleistet werden. Auf die geleistete Aussage folgt dann der Eid, um dieser den entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Aus Glaubens- oder Gewissensgründen kann der wörtliche Eid wegfallen, es muss aber die Wahrheit der Aussage bekräftigt werden. Diese Handlung steht dem Eid in rechtlicher Sicht gleich.
Rechte des Zeugen
Neben den vielen genannten Pflichten, die Zeugen beachten müssen, stehen ihnen aber auch Rechte zu. Diese Rechte sollen Zeugen vor Interessenkollisionen schützen oder aber die Zwangslage im Angesicht der Aussage- und Wahrheitspflicht berücksichtigen.
Zeugnisverweigerungsrecht
Das Zeugnisverweigerungsrecht trifft nur in bestimmten Fällen ein. Eltern, Kinder, Ehegatten sowie Verlobte und andere nahe Angehörige sind von der Aussagepflicht entbunden. Auch bestimmte Berufsgruppen können eine Aussage verweigern, darunter fallen Ärzte, Geistliche, Anwälte und Journalisten.
Zeugen müssen auf dieses Recht vor ihrer Vernehmung hingewiesen werden. Wird eine solche Belehrung nicht durchgeführt, kann die Aussage grundsätzlich nicht verwertet werden. Das Zeugnisverweigerungsrecht ermöglicht nicht nur, dass keine Aussage vor Gericht abgelegt werden muss, sondern berechtigt auch dazu, die Beeidigung abzulehnen. Die Verweigerung der Beeidigung wird nur relevant, wenn sich zeugnisverweigerungsberechtigte Personen dennoch zu einer Aussage entschlossen haben.
Auskunftsverweigerungsrecht
Auch wenn das Risiko besteht, sich selbst oder andere Angehörige in Gefahr zu bringen, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können Zeugen auf eine Aussage verzichten. Zudem können sie sich weigern, zu einzelnen Fragen Aussagen zu machen, wenn bei Beantwortung ihnen selbst oder Angehörigen unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden bevorstünde oder zur Unehre gereichen würde. Allerdings beschränkt sich dieses Recht nur auf die einzelnen Antworten der Fragen, nicht auf die gesamte Aussage.
Recht auf Rechtsbeistand
Zeugen ist es gestattet, einen Rechtsanwalt für die Vernehmung in einem Strafverfahren zu beordern und mitzunehmen. Auch ein Zeugenbeistand kann in Anspruch genommen werden.
Ausschluss der Öffentlichkeit bei Zeugenaussage
Grundsätzlich werden Strafverfahren in Deutschland öffentlich verhandelt. Interessiertes Publikum kann also im Saal Platz nehmen und zuschauen sowie zuhören. Können Zeugen überhaupt verlangen, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird? Ja, wenn stark belastende Details aus dem privaten Leben der Zeugen aufgrund des Falles offengelegt werden müssen, wie beispielsweise Einzelheiten zum Sexualleben.
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Ist eine schriftliche Zeugenaussage möglich?
Grundsätzlich ist, wie auch in der Erscheinungspflicht beschrieben, ein persönliches Erscheinen Pflicht. Das Gericht möchte sich ein individuelles Bild von den Zeugen machen, um die Glaubwürdigkeit und Relevanz der Aussage beurteilen zu können.
Für eine Verlesung einer schriftlichen Erklärung der Zeugen müssen daher einige Voraussetzungen geschaffen sein. Zunächst müssen Angeklagte einen Verteidiger eingestellt haben. Dann müssen alle am Strafprozess Beteiligten, also die Staatsanwaltschaft, Rechtsanwalt der Angeklagten sowie die Angeklagten selbst mit der Verlesung der schriftlichen Erklärung einverstanden sein.
Diese Voraussetzungen gelten auch bei verstorbenen Zeugen. Auch wenn Zeugen auf absehbare Zeit nicht vernehmbar sind, greift diese Regelung. Schildert die schriftliche Erklärung das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens, ist dieses Vorgehen ebenfalls möglich. Zusammengefasst gelten alle Voraussetzungen, die unter § 251 StPO zum Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen genannt sind.
Aufwandsentschädigungen für Zeugen
Müssen Zeugen für ihre Aussage Urlaub nehmen oder haben sie Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Freistellung? Auch wenn es Arbeitgebern nicht immer gefällt, haben sie kein Recht Ihre Mitarbeitenden von der Zeugenvernehmung abzuhalten.
Es gilt als Bürgerpflicht, die Zeugenaussage vor Gericht zu machen. Entsprechend muss der Arbeitgeber die betroffenen Mitarbeitenden freistellen, allerdings nicht bezahlt. Wenn Zeugen dadurch ein Verdienstausfall droht, werden sie durch das Zeugengeld dafür entschädigt.
Auch für die Fahrtkosten kommt das Gericht bis zu einem gewissen Maße auf. Die Kosten des Verfahrens sollen dabei geringgehalten werden, also zählt für die Erstattung nur die kostengünstigste Verbindung, also die notwendigen Fahrtkosten, als Ausgleich. Dies gilt vor allem für öffentliche Verkehrsmittel. Bei der Nutzung des privaten PKW erstattet das Gericht anhand der gesetzlich festgelegten Kilometerpauschale.
Auch Mehraufwendungen, die für die Wahrnehmung des Gerichtstermins für die Zeugen anfallen, können erstattet werden. Darunter fallen unter anderem Hotelkosten oder auch Betreuungskosten für Kinder oder Angehörige. Auch nicht erwerbstätige Zeugen, die einen eigenen Haushalt mit mehreren Personen führen, erhalten Entschädigungen. Ebenso können Selbstständige und Freiberufler das Zeugengeld beantragen.
Für die Bemessung des Zeugengeldes ist es wichtig, dass Zeugen ihre Vorladung zum Gericht mitbringen. Nach der Vernehmung zeichnen die Richter die vorgelegte Ladung ab und die Uhrzeit wird notiert, um die Summe des Zeugengeldes korrekt ermessen zu können.
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